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Grünlandmahd

„Scheuchen“ schützen Insekten und Spinnen

Studien der Universitäten Hohenheim & Tübingen zeigen: Mähen von Grünland schadet Insekten und Spinnen wohl stärker als gedacht. (Gebläse-)Scheuchen können die Verluste jedoch deutlich reduzieren.

von Universität Hohenheim, Red. Quelle Universität Hohenheim erschienen am 18.07.2025
Biene auf Tauben-Skabiose © Julia Bächtle
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Spezielle Vergrämungstechniken können dazu beitragen, den Verlust an Insekten und Spinnen beim Mähen von landwirtschaftlich genutztem Grünland möglichst gering zu halten. Zu diesem Ergebnis kommen Forschende im Projekt „InsectMow“ der Universitäten Tübingen und Hohenheim in Stuttgart. Als besonders effektiv erwies sich eine Vorrichtung, die - vor dem Mähwerk angebracht - die Tiere regelrecht wegbläst.

Mahd und Bearbeitung tötet bis zu 80 % der Insekten

Wiesen und Weiden beherbergen eine oft unterschätzte Vielfalt an Tierarten. Vor allem die dort lebenden Insekten und Spinnen sind jedoch durch regelmäßiges Mähen erheblich gefährdet. Eine Reihe von Studien zeigt, dass bei der Mahd von landwirtschaftlich genutztem Grünland und der Weiterverarbeitung des Mähgutes bis zu 80 % der Insekten getötet werden. Über viele Jahre hinweg führt dies bei bis zu fünf Mahden pro Jahr vermutlich zu einem massiven Rückgang der Insekten und Spinnen im Wirtschaftsgrünland.

Zudem entstehen durch das gekürzte Grün meist ungünstige mikroklimatische Bedingungen. So sind beispielsweise Schmetterlingsraupen, Käferlarven oder junge Heuschrecken insbesondere in den Sommermonaten ungeschützt der Hitze ausgeliefert und vertrocknen. Außerdem werden sie von potenziellen Räubern wie Vögeln besser gefunden.

Biodiversitätsfreundliches Mähen durch Insektenscheuchen

„Ein vielversprechender Ansatz für biodiversitätsfreundliches Mähen sind verschiedene Vergrämungsgeräte, die vor dem Mähwerk montiert werden“, sagt Prof. Dr.-Ing. Stefan Böttinger vom Fachgebiet Grundlagen der Agrartechnik der Universität Hohenheim „Sie sollen die Tiere dazu bewegen, zu flüchten oder sich fallen zu lassen, und sie so vor Verletzungen oder Tod schützen.“

Neben einer Abstreifvorrichtung, bei der eine LKW-Plane auf einen verstellbaren Metallbügel montiert wird, testeten die Forschenden auch eine Art Rechen, bei dem herabhängende Metallzinken durch das Gras geführt werden, sowie eine Gebläsescheuche, die vor ein Scheibenmäher angebracht wurden.

Gebläsescheuche am effektivsten

Dabei hängt der Erfolg solcher Vergrämungsgeräte von mehreren Faktoren ab: „Bei einer niedrigen Fahrgeschwindigkeit von 5 km/h erwies sich die Insektenscheuche aus LKW-Plane als sehr effektiv. Bei höheren Geschwindigkeiten von 12 km/h, die gängige Praxis sind, war dieses Gerät jedoch wirkungslos“, fasst Lea von Berg, Doktorandin am Institut für Evolution und Ökologie der Universität Tübingen, die Ergebnisse zusammen. „Hier zeigten robustere Modelle wie der Rechen mit Metallzinken oder das leistungsstarke Gebläse bessere Ergebnisse.“

Insbesondere das Gebläse erwies sich als äußerst wirksam, da es sämtliche untersuchte Tiergruppen von der gemähten Fläche vertrieb. Aufgrund des starken Luftstroms kann es Kleinstlebewesen nicht nur zur Flucht anregen, sondern auch Individuen aktiv wegblasen, die sonst nicht entkommen könnten. „Nur bei Spinnen konnten wir keinen Effekt des Gebläses beobachteten“, so Jonas Frank am Fachgebiet Grundlagen der Agrartechnik der Universität Hohenheim. „Dies liegt wahrscheinlich daran, dass auf den Wiesen hauptsächlich netzbauende Arten leben, die sich bei starkem Wind an ihren Netzen festklammern.“

Ungemähte Flächen als Rettungsinseln

Die Forschenden empfehlen jedoch unbedingt, auf den zu mähenden Wiesen beim Mähen ungemähte Rückzugsflächen zu erhalten. Insekten und Spinnen, die vor dem Mähwerk verscheucht wurden, können sich in diese Flächen zurückziehen. Dort entgehen sie der nachfolgenden Ernte und dem Vertrocknen auf den gemähten Flächen.

„Hierfür reicht es schon, kleine Inseln oder (Seiten-)Streifen ungemäht zu lassen“, betont Prof. Dr. Oliver Betz von der Universität Tübingen. „Insekten und Spinnen, die bei der Mahd aufgeschreckt oder verscheucht werden, flüchten sich in diese Schutzräume und können von dort aus die gemähten Flächen nach einiger Zeit wieder besiedeln.“

Kompromiss zwischen Wirtschaft und Natur

Die Forschenden sehen in einer Kombination aus innovativen Technologien, geschützten Rückzugsflächen und angepassten Mähpraktiken den Weg zu einem biodiversitätsfreundlichen Umgang mit Grünland. Zwar seien einige dieser Maßnahmen mit Kosten und Mehraufwand verbunden – etwa durch langsamere Fahrgeschwindigkeiten oder die Anschaffung spezieller Geräte wie Gebläsescheuchen.

Doch selbst einfache und kostengünstige Lösungen wie Abstreifvorrichtungen aus LKW-Plane könnten – richtig eingesetzt – nennenswerte Erfolge erzielen. Eine Anleitung zum einfachen Selbstbau dieser Insektenscheuche findet sich auf der Internetseite der Universität Hohenheim.

Nicht nur die Landwirtschaft muss handeln

Dabei müssen diese Maßnahmen nicht auf landwirtschaftlich genutzte Flächen beschränkt bleiben. Auch Straßenbegleitgrün – die oft unterschätzten Grünflächen entlang von Straßen und Wegen – könnte einen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt leisten. Mit rund 680 000 Hektar Fläche in Deutschland könnten Straßenränder eine wichtige Rolle im Kampf gegen das Insektensterben spielen – sofern sie insektenfreundlich bewirtschaftet werden.

Zum Projekt Mit geringen Mitteln gegen das Insektensterben

Projektname: InsectMow - Entwicklung und Evaluierung insekten- und spinnenfreundlicher Mähtechniken als Beitrag zu einer nachhaltigen Form der landwirtschaftlichen Grünlandnutzung

Durch Umstellung auf eine insektenschonende Mähtechnik soll einer wesentlichen Ursache des Insektensterbens ohne größere finanzielle Einbußen für die Landwirte begegnet werden. Kooperationen mit einem führenden Ma¨hgerätehersteller sowie der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft e.V. stellen sicher, dass die Neuentwicklung Eingang in den Markt findet.

Das Projekt wird in Kooperation von Agraringenieuren und Tierökologen der Universitäten Hohenheim und Tübingen durchgeführt. Es wird im Bundesprogramm Biologische Vielfalt durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit in Höhe von rund 650 000 Euro gefördert.

Laufzeit: November 2021 – Oktober 2025



Für besonders Wissbegierige

Publikation zum Einsatz von Insektenscheuchen bei der Grünlandmahd: doi.org/10.1111/icad.12854

Publikation zur Evaluation von Scheiben- und Balkenmähwerk auf die Arthropodenfauna: doi.org/10.1111/1365-2664.14852

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