Wie wird der Erhaltungszustand berechnet?
Die Gemeinnützige Organisation Estnische Großraubtiere hatte Klage gegen eine Verfügung des estländischen Umweltamtes erhoben, die eine Wolfsjagdquote in Estland festlegen wollte. In manchen EU-Ländern wie Estland ist der Wolf weniger streng geschützt als in anderen Mitgliedstaaten.
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Der Rechtsstreit führte dazu, dass das Oberste Gericht Estlands nun den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in einem Vorabentscheidungsverfahren um die Beantwortung elementarer Fragen gebeten hat, da es sich um eine Grundsatzfrage handelt, welche der EuGH klären muss.
Strenger oder schwächerer Schutz?
Der Schutz von Wölfen richtet sich in den europäischen Mitgliedstaaten nach der sogenannten Habitatrichtlinie (FFH-Richlinie). Während der Wolf in vielen Mitgliedstaaten den strengen Schutz nach Art. 12 der Habitatrichtlinie genießt, der unter anderem die Jagd von Wölfen grundsätzlich verbietet, gilt in Estland der schwächer ausgeprägte Schutz nach Art. 14 der Richtlinie.
Nach diesem niedrigeren Schutzlevel ist die Jagd zwar grundsätzlich zulässig, jedoch muss der Mitgliedstaat Schutzmaßnahmen treffen, falls die Aufrechterhaltung eines "günstigen Erhaltungszustands" gefährdet ist. Aber wie genau ist der günstige Erhaltungszustand festzustellen? Das ist Gegenstand dieses Vorabentscheidungsersuchens von Estlands höchstem Gericht an den Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Folgende Fragen sollen laut der Rechtsplattform Legal Tribune Online nun unter anderem beim EuGH geklärt werden:
- Inwieweit sind Populationen außerhalb von Estland bei der Beurteilung des Erhaltungszustands zu berücksichtigen?
- Ist für die Berücksichtigung von Populationen in anderen Mitgliedstaaten eine förmliche Vereinbarung zwischen diesen Mitgliedstaaten notwendig?
Grundsatzfragen müssen geklärt werden
Alle Fragen zielen daraufhin zu klären, wie ein günstiger Erhaltungszustand berechnet werden kann bzw. wann man davon ausgehen kann, dass es in Europa genügend Wölfe gibt. Der EuGH muss diese Grundsatzfragen klären, zu denen die Generalanwältin Juliane Kokott in ihren Schlussanträgen Stellung genommen hat:
- Jeder Mitgliedstaat müsse auf seinem Territorium einen günstigen Erhaltungszustand der Art gewährleisten. Sich darauf zu verlassen, dass es in einem EU-Nachbarland schon genug Wölfe geben werde, darauf dürften sich die EU-Mitgliedsstaaten laut Kokott demnach nicht verlassen.
- Für die Beurteilung des Erhaltungszustandes müssen die Mitgliedstaaten auch den Austausch zwischen den eigenen Populationen und den Populationen in anderen Staaten berücksichtigen. Wie es zu bewerten ist, wenn ein Wolfsrudel regelmäßig Ländergrenzen überschreitet, hänge dabei davon ab, wie stark die anderen Populationen geschützt sind und wie eng die beiden Mitgliedstaaten beim Schutz der Art zusammenarbeiten.
Zudem verweist die Generalanwältin darauf, dass Estland nach dem Berner Übereinkommen völkerrechtlich sowie unionsrechtlich verpflichtet sei, den Wolf streng zu schützen.
Mit einer Entscheidung des EuGH ist in einigen Monaten zu rechnen.
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