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Bundesverband Berufsschäfer e.V.

Positionspapier zur aktuellen Blauzungen-Situation

Der Bundesverband Berufsschäfer wendet sich mit seinem Positionspapier vom 11. August 2024 an die Bundesregierung, den aktuell herrschenden BTV-3-Seuchenzug als bundesweit gemeinschaftlich zu bewältigende Herausforderung anzuerkennen. Trotz Föderalismus müsse sie mit den Ländern in Kontakt treten und einheitliche Wege bezüglich der Erstattung von Impfkosten und Tierverlusten finden. Denn die finanzielle Belastung durch Tierarztkosten und Mortalitätsrate führe bei vielen Schafhaltenden zur Existenzbedrohung.

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Bundesverband Berufsschäfer
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Hier der Inhalt des Positionspapiers des Bundesverbandes Berufsschäfer zum aktuellen Geschehen Blauzungenkrankheit beim Wiederkäuer:

Ist-Situation Stand 11.08.2024:

Die Blauzungenkrankheit des Serotyps 3 als virusbedingte und akut verlaufende Erkrankung bei Schafen und Rindern, sowie Ziegen, Neuweltkameliden und Wildwiederkäuer, verbreitet sich seit Juli 2024 deutlich in mittlerweile mehreren Bundesländern. Mit einer weiteren sehr deutlichen Zunahme der BTV–3- Fälle bis zum Winter 2024 ist zu rechnen sowie der Ausbreitung auf weitere Bundesländer.

Ursache ist vor allem die witterungsbedingt hohe Aktivität von Gnitzen, die das Virus übertragen. Aktuell ist die Blauzungenkrankheit aufgrund des neuen Europäischen Tiergesundheitsgesetzes als Seuche der Kategorie C+D+E klassifiziert und ist damit optional zu bekämpfen. BTV-typische Klinik findet sich besonders bei Schafen, aber auch Rinder können klinisch auffällig sein.

Eine Impfung der Wiederkäuer bietet derzeit den einzigen effektiven Schutz. In Deutschland werden ausschließlich inaktivierte Impfstoffe eingesetzt. Bisher wurde die Anwendung von drei Impfstoffen gegen BTV-3 im Rahmen einer bundesweit gültigen Eilverordnung gestattet, die über den Hoftierarzt bezogen und verabreicht werden. Die Impfung erfolgt auf freiwilliger Basis, finanzielle Unterstützung wird in den Bundesländern unterschiedlich gehandhabt.

Die Blauzungenkrankheit ist anzeigepflichtig.(Friedrich-Loeffler-Institut, 30.07.2024)

Am 24. Januar 2024 hat der Vorstand des BVBS im Rahmen des Fachgespräches zur Situation der Schaf- und Ziegenhaltung in Deutschland im BMEL auf die drohende Gefahr durch die Blauzungenkrankheit sowie die Verschleppung eines frühzeitigen Impfbeginns hingewiesen und um ein diesbezügliches Engagement der Bundesregierung gebeten. Nun wird in den westlichen Bundesländern, speziell NRW, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz unter den schafhaltenden Praxisbetrieben ein explosionsartiger und schwerer Seuchenverlauf beobachtet, der zu gravierenden Erkrankungen und einer hohen Sterblichkeitsrate bei den Tieren führt.

Es sind sowohl geimpfte als auch nicht geimpfte Herden betroffen; der Krankheitsverlauf in den verschiedenen Herden ist sehr unterschiedlich. Auch so bald als möglich geimpfte Tiere sind an BTV-3 klinisch erkrankt und zum Teil gestorben. In manchen Herden sind schwere Einbrüche und enorme Tierverluste zu verzeichnen,während andere Herden mit milderen Symptomen zu kämpfen haben.

Zudem scheint es Rasseunterschiede zu geben. Besonders Herden mit Landschafrassen, die vielfach im Naturschutz für Bund und Land im umweltsensiblen Grünland, in Biotopen und FFH-Gebieten eingesetzt sind, erkranken oftmals schwerer. Als negativer Multiplikator spielen auch die Habitate mit erhöhtem Gnitzenaufkommen in entsprechenden Naturschutzgebieten eine Rolle.

Erschwerend kommt hinzu, dass Herden im Rahmen der Hüte- und Wanderschäferei auf ihren über Generationen tradierten Zugrouten täglich zu neuen Weideflächen wandern und so der Verinselung der Landschaft entgegenwirken, was mit kranken Tieren nicht möglich ist.

Zudem ist durch den Witterungsverlauf der letzten 10 bis 12 Monate (feucht, warm) ein überproportionaler Parasitendruck vorhanden, der auch bei nach guter fachlicher Praxis durchgeführten Parasitenmanagement oftmals nicht zu den gewünschten Erfolgen führt (u.a. Resistenzen!) und die Tiere zusätzlich schwächt.

Die freiwillige, von vielen Tierhaltern durchgeführte Impfung ist eine große finanzielle Belastung für die Betriebe und wird nur zu sehr geringen Teilen von den Tierseuchenkassen bezuschusst und dies unterschiedlich in den verschiedenen Bundesländern. Ein weiterer Erschwernisgrund für eine rechtzeitige Impfung, die zwar eine Infektion nicht voll umfänglich, aber schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle verhindern kann, ist der in manchen Gebieten dramatische Mangel an Tierärzten für Nutztiere. Einige Schafhalter berichten von Wartezeiten von über 14 Tagen. Teilweise zeigen Impfungen überhaupt keine Wirkung und es wird mittlerweile bereits eine Booster-Impfung empfohlen.

Eine Überprüfung der Wirksamkeit der einzelnen Impfstoffe scheint aus aktuellen Praxiserfahrungen angebracht. Erkrankte überlebende Tiere sind akut (trächtige verlammende Muttertiere) oder für einige Monate (Böcke) unfruchtbar, was zu einem Ausfall der eigentlichen Produktion (Lammfleisch) führt. Dies wird zusätzliche Einkommenseinbußen neben den Tierverlusten zur Folge haben.

Viele Schäfereien befinden sich in Verpflichtungen gegenüber der öffentlichen Hand oder Privatwirtschaft; die rechtliche Prüfung bei Nicht-Einhalten dieser Tätigkeiten steht noch aus.Viele der verantwortungsvoll agierenden Tierhalter befinden sich bereits jetzt durch die immens hohen Tierarzt– und Arzneimittelkosten in einer finanziell angespannten Situation. Auch bei Betrieben mit einer Mortalitätsrate von 25 bis über 40 % gibt es aktuell keine Erstattung der Falltiere.

Im Tierseucheninformationssystem (TSIS) kann die Vielzahl der erkrankten Schafe für Außenstehende nicht nachvollzogen werden. Zudem gibt es keine Veröffentlichungen über Falltiere. Bereits jetzt mehren sich Berichte, dass Falltiere nicht mehr zeitgerecht abgeholt werden, da die Entsorgungsunternehmen dem nicht mehr Herr werden können. Eine weitere und intensivere Ausbreitung auf Rinderbestände war zu befürchten und ist auch eingetreten. Davon betroffen sind neben Fleischrindern auch Tiere aus Milchviehbetrieben. Die finanzielle und mentale Belastung ist nicht mehr zu tragen für viele Schäfereien, sowohl im Haupt- als auch Nebenerwerb. Endgültige Betriebsaufgaben werden nach Erfüllung der Vorgaben zum Ende des Jahres von vielen Inhabern mittlerweile konkret angestrebt und vorbereitet bzw. sind schon durchgeführt.

Die Tierhalter brauchen Unterstützung in finanzieller und betreuungstechnischer Hinsicht. Die Auswirkungen auf Naturschutz, Biodiversität und damit Kulturlandschaft und ländlichen Raum sind noch nicht absehbar, erscheinen aber zum jetzigen Stand schwerwiegend und ohne Unterstützung der betroffenen Betriebe nicht umkehrbar. (Berichte Vorstand und Praxisbetriebe, Bundesverband Berufsschäfer)

Vorschläge zur Unterstützung betroffener Tierhalter Stand 11.08.2024:

Die Bundesregierung muss erkennen, dass es sich bei dem aktuell herrschenden Blauzungen–Seuchenzug um eine bundesweit gemeinschaftlich zu bewältigende Herausforderung von immensem Ausmaß und Konsequenzen für die Biodiversitätsstrategie der kommenden Jahre handelt.

Trotz Föderalismus muss sie mit den Ländern Kontakt aufnehmen und einheitliche Wege finden bezüglich Erstattungen von Impfkosten und Tierverlusten, da die finanzielle Belastung durch Tierarztkosten und Mortalitätsrate zur Existenzbedrohung vieler Betriebe wird. Basis muss eine korrekte Wahrnehmung der verantwortlichen/zuständigen Personen und Institutionen und realitätsechte Darstellung des Seuchengeschehens in den Medien und der Öffentlichkeit sein. Um dies zu gewährleisten, muss die Politik sich vor Ort einen Eindruck des Seuchengeschehens und seiner schwerwiegenden Ausprägung für Mensch und Tier machen (Ortstermine in betroffenen Betrieben).

Die Dimension des Tierleides und der mentalen und finanziellen Belastung der Tierhalter muss verständlich und nachvollziehbar den zuständigen Institutionen und der breiten Masse dargestellt werden. Es steht genug Bild- und Videomaterial aus den Reihen der Tierhalter zur Verfügung zur Verdeutlichung der Situation.

Anhand einer anonymen Umfrage mit Auswertung unter den schaf- und rinderhaltenden Betrieben können z.B. über eine empirische Untersuchung zum Verlauf des Seuchenzuges mit den Kriterien Impfdatum, eingesetzter Impfstoff, Herdengröße, Tierrasse, Erkrankungsrate und -schwere, Mortalitätsrate wertvolle Erkenntnisse für die Zukunft generiert werden. Dabei können tierärztliche Hochschulen oder andere öffentliche Einrichtungen entsprechende Umfragetools und z.B. der Bundesverband Berufsschäfer sein Netzwerk zur Verfügung stellen.

Die Fallzahlen, auch die der Falltiere, müssen in den frei einsehbaren Portalen korrekt und zeitnah veröffentlicht werden. Ein Sonderfonds für Härtefallregelungen soll eingesetzt werden, d.h. die Bundesregierung stellt kurzfristig Hilfen zur Verfügung für Betriebe, die nachweislich unverschuldet in Not geraten sind. Die Mittel sollen zweckgebunden zum Beispiel für notwendige Impfungen (Übernahme der Impfkosten) oder tierärztliche Betreuung (Nachweis über Tierarztrechnungen) eingesetzt werden.

Bei allen Erstattungen ist eine erfolgte Impfung in den Betrieben Grundvoraussetzung – der Nachweis ist über die HIT - Datenbank hier einfach nachzuvollziehen. Eine Ausnahme können Betriebe bilden, denen es nachweislich nicht möglich war (z.B. durch Fehlen der entsprechenden Tierarzt- und Impfstoffkapazitäten), in einer angemessenen Zeitspanne nach Zulassung der Impfstoffe eine Impfung durchzuführen.

Zusätzlich müssen Betriebe mit nachweislich hohen Tierverlusten Sonderzahlungen erhalten, z.B. Erstattung des entgangenen Deckungsbeitrages pro Schaf, um die finanziellen Verluste zu minimieren und Betriebsaufgaben zu vermeiden. Dabei muss bei allen Regelungen vermieden werden, entsprechende Beitragserhöhungen z.B. bei Tierseuchenkasse als Folge zu generieren. Die Belastung der betroffenen Betriebe in den am stärksten gebeutelten Bundesländern wäre sonst in den Folgejahren überproportional hoch. Die Überprüfung sowie erneute Verlängerung der in diesem Jahr auslaufenden Zulassung der aktuellen Impfstoffe hat hohe Priorität. Die Folgeerscheinungen des Seuchenzuges wie unfruchtbare Tiere oder fehlende Handelswege für Zuchttiere müssen in einem zweiten Schritt beziffert und bewertet werden auch in Hinsicht auf eine Entschädigung der Betriebe.

Einem ähnlich gearteten Seuchenzug muss in Zukunft unbedingt mit aller Vehemenz entgegengewirkt werden durch die aktive Unterstützung aus der Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Ländern, um den tierhaltenden Betrieben, aber auch der Privatwirtschaft (Impfstoffhersteller) Planungssicherheit und eine Zukunft zu geben.

Bundesverband Berufsschäfer, 11.08.2024
Ruth Schrick-Richter

 

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