Eine große Chance nutzen
In diesem Jahr wird weltweit der Blick auf die Bedeutung von Weidelandschaften und Hirtentum gelegt: Es findet das Internationale Jahr der Weidelandschaften und des Hirtentums statt, kurz IYRP – International Year of Rangelands and Pastoralists.
von Dr. Regina Walther, Ortrun Humpert, Fides Lenz erschienen am 28.12.2025Am 2. Dezember 2025 verkündete die Welternährungsorganisation (FAO) offiziell den Start des IYRP. Damit soll 2026 das weltweite Bewusstsein dafür geschärft werden, welche entscheidende Rolle die Weidewirtschaft für die Ernährungssicherheit, für die Anpassung an den Klimawandel und dessen Eindämmung, für die Gesundheit der Ökosysteme und für nachhaltige ländliche Lebensgrundlagen spielen. Weltweit wird es viele Aktionen geben, um auf die Bedeutung der Weidetiere auf den verschiedensten Standorten aufmerksam zu machen. Auch in Deutschland.
Berlin: Startschuss zum Hirtenzug 2026
Die Landesschaf- und Ziegenzuchtverbände wollen das IYRP auf unterschiedliche Weise nutzen, um auf das Thema „Weidelandschaften und Hirtentum“ aufmerksam zu machen. Ende November 2025 wurden bei einem Online-Treffen verschiedener Akteure zur Vorbereitung des Hirtenjahres die geplanten Aktionen weiter besprochen. Dazu gehören z.?B. spezielle Aktivitäten zum Schwerpunkt „Weidelandschaften“, einschließlich Fortbildungen zu verschiedenen Vegetationstypen. Der Bundesverband Berufsschäfer e.?V. (BVBS) plant, aus kurzen Videosequenzen aus dem Alltag der Betriebe Zusammenschnitte für Social-Media-Kanäle erstellen. Und es wird wieder einen Hirtenzug geben.
Der Startschuss zum Hirtenzug 2026 fällt im Januar auf der Grünen Woche in Berlin: Hier wird der Hirtenstab, den es für den Hirtenzug 2026 als Staffelstab geben wird, im Rahmen eines ökumenischen Gottesdienstes gesegnet. Im großen Ring in der Tierhalle werden unter anderem Schafe mit Bezug zu ihren Landschaften sowie Hütehunde vorgestellt. Die Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH) wird mit zwei Schäferinnen vor Ort sein, die die Besucher der Grünen Woche zum Thema Weidetierhaltung informieren. Sie sollen von weiteren Hütern unterstützt werden. (Anm. der Red.: Stand 18.12.2025, unter Vorbehalt aufgrund der im Januar bestehenden Tierseuchenlage.) Der Hirtenzug endet im November auf der EuroTier in Hannover.
Im Februar geht der Staffelstab anlässlich der GEH-Jahreshauptversammlung an die Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH), die 2026 die drei Heidschnuckenrassen sowie alle Schläge der altdeutschen Hütehunde als Rassen des Jahres festgelegt hat. Die Übergabe des Hirtenstabes erfolgt im Kontext einer Preisverleihung des Vereins Weidewelt (www.weidewelt.de) an den Verein Naturschutzpark (VNP) am Tütsberg in Niedersachsen. Nächster Halt des Hirtenstabes wird die Landwirtschaftsmesse „agra“ in Leipzig (Sachsen) sein. Hier findet ein Forum zum Thema Grünlandbewirtschaftung statt.
Die Teilnehmer des Online-Treffens Ende November waren sich einig, dass die Bedeutung der Weidetierhaltung und der Beweidung weiter wachse. Aber in der Breite der Gesellschaft wisse kaum jemand, wie sehr wir Menschen von der Arbeit der Herden und ihrer Hüter abhängig sind, die gleichzeitig zu wenig Anerkennung erhalten.
Treffen mit Ministerien und Behörden
Auf Einladung des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) fand am 8. Dezember 2025 das „Fachgespräch Weidehaltung und Beitrag zum Naturschutz“ in Bonn statt. 28 Personen aus den Bundesministerien für Umwelt und Landwirtschaft, den nachgeordneten Behörden (BfN, Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), Deutsche Vernetzungsstelle Ländliche Räume (DVS)) sowie Vertreter zahlreicher Verbände waren zusammen gekommen, um über das Thema zu diskutieren. Hintergrund des Gesprächs war eine Anfrage der Weidetierhalter- und Grünlandverbände zum IYRP. Die Vereinigung Deutscher Landesschafzuchtverbände (VDL) ist Teil des Bündnisses für Weidelandschaften und Hirtentum und wurde durch Fides Lenz, Geschäftsführerin des Schafzuchtverbandes Nordrhein-Westfalen, vertreten. Auch weitere Bündnispartner wie die Deutsche Umwelthilfe, der Deutsche Verband für Landschaftspflege, der Grünlandverband und die Liga für Hirtenvölker waren vor Ort.
Nach einer digitalen Begrüßung durch Bundesumweltminister Carsten Schneider wies die BfN-Präsidentin Sabine Riewenherm auf die Bedeutung der Weidetiere für den Naturschutz hin. Dabei griff sie die drei Kernforderungen der Branche auf:
- Anerkennung der Naturschutzleistung der Weidehaltung,
- Wunsch nach dauerhafter Förderung,
- Schaffung einer Planungssicherheit und Zukunftsperspektive.
Hirten sind Erzeuger UND Naturschützer
Günter Czerkus von der Liga der Hirtenvölker erläuterte das Bündnis für Weidelandschaften und Hirtentum und die gemeinsamen Ziele: die Schaffung eines gesellschaftlichen Bewusstseins für die weltweite Relevanz der Weidehaltung sowie deren politische und ökonomische Stärkung. Er zeigte den Nutzen des Weidelands auf, und dass die Hirten neben der Produktion von Lebensmitteln und wichtigen Rohstoffen mit ihren Tieren gleichzeitig das Land vor Hochwasser und Erosion schützen, CO2 binden, das Grundwasser schützen und die Artenvielfalt stärken. Diese politische Doppelrolle als landwirtschaftliche Erzeuger und Naturschützer berge immer wieder Probleme. Czerkus forderte, dass Landwirtschaft und Naturschutz besser miteinander verknüpft werden.
Ziel Nr. 1: Der Gesellschaft muss die weltweite Relevanz der Weidehaltung wieder bewusst werden!
Christine Mittermeier vom BVBS unterstützte diese Forderungen und griff ebenfalls die vielen positiven Effekte der Weidetierhaltung auf. Effektiver Naturschutz könne nur gemeinschaftlich gelingen. Schafhalter seien besonders gut in der Nutzung und Verbesserung verschiedener Flächen und Systeme – das Wissen innerhalb der Branche zu naturschutzfachlichen Themen sei enorm. Mittermeier appellierte an die Entscheidungsträger, das Wissen und Können der Praktiker miteinzubeziehen.
Diesen Appell bestärkte auch Dr. Jürgen Metzner, Geschäftsführer des DVL, und unterstrich, dass die Ziele des Naturwiederherstellungsgesetzes in vielen Landschaften nur durch Beweidung erreicht werden können. (Anm. der Red.: Das Naturwiederherstellungsgesetz (NRL) ist ein EU-Gesetz von 2024, das die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, Maßnahmen zur Wiederherstellung der Natur zu ergreifen.) Weidetierhaltung sei „ökosystemrelevant“ und notwendig, um Umweltziele umzusetzen. Zur Unterstützung forderte Dr. Metzner gezielte Förderprogramme, die die Bedürfnisse der Weidetierhalter und des Naturschutzes zusammenführen. Er kritisierte, dass im aktuellen Entwurf der Gemeinsamen Agrarpolitik die Bereitstellung öffentlicher Güter gestrichen wurde, dieser Passus für die Anerkennung der gesellschaftlichen Leistungen jedoch unerlässlich sei.
In der Diskussion wurde deutlich, dass:
- die Weidehaltung für Naturschutz und Ernährungssicherung enorm wichtig ist,
- mehr Flexibilität bei der Bewertung von Naturschutzflächen für die (landwirtschaftliche) Förderung nötig ist,
- das Naturwiederherstellungsgesetz ohne die Weidetierhaltung nicht umzusetzen ist,
- die „Sichtbarkeit“ und Anerkennung der Naturschutzbeiträge verbessert werden muss,
- Planungssicherheit für die Zielerreichung unerlässlich ist,
- das mindeste Ziel der Tierhalter ist, den Status Quo der aktuellen GAP-Förderperiode zu bewahren.
Die Vertreter der anwesenden Ministerien baten die Verbände, ihre gemeinsamen Forderungen zu bündeln und konkrete Vorschläge einzureichen.
Wie geht es weiter?
Das Internationale Hirtenjahr 2026 soll dazu genutzt werden, die Aufmerksamkeit auf das Thema Weidetierhaltung zu lenken. Das IYRP-Bündnis erhält jedoch keine finanzielle Unterstützung. Der Wunsch danach wurde anlässlich der Tagung in Bonn noch einmal an die Ministerien herangetragen, um das von den Vereinten Nationen ausgerufene Jahr auch bestmöglich nutzen zu können. In den nächsten Monaten werden wir Sie in der Schafzucht über die Aktionen zum Internationalen Jahr der Weidelandschaften und des Hirtentums in Deutschland sowie zum Hirtenzug 2026 auf dem Laufenden halten.
Weitere Informationen:
Bündnis für Weidelandschaften und Hirtentum (www.weidelandschaft-hirtentum.de)
Vereinigung Deutscher Landesschafzuchtverbände (https://www.schafe-sind-toll.com/)







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