
Neue Hirtenwege im Pfälzerwald
Ein lebendiger Biotopverbund und neue Perspektiven für die Wanderschäferei: Das sind die Hauptziele des chance.natur Projektes „Neue Hirtenwege im Pfälzerwald“.
von Julia Bächtle Quelle Naturschutz und Landschaftsplanung erschienen am 06.06.2025Auch weitere extensive Beweidungsformen sollen dabei eine wesentliche Rolle spielen. Nach der ersten Projektphase, in der ein Pflege- und Entwicklungsplan erarbeitet wurde, ist 2024 die Umsetzungsphase gestartet. Projektleiter Helmut Schuler hat der Fachzeitschrift Naturschutz und Landschaftsplanung (Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart) das Naturschutzgroßprojekt vorgestellt.
Harte Arbeit statt verträumter Romantik
Entspannt grasende Schafe auf den Höhen der Schwäbischen Alb, ein wachsamer Schäfer und treue Hunde. Diese Szenerie war noch bis in die 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts Realität für die Wanderschäferei Süddeutschlands. Jahr für Jahr zogen sie mit ihren Herden hunderte Kilometer von der schwäbischen Alb und dem Schwarzwald in die tieferen Lagen am Rhein, teilweise bis nach Frankreich. Eine bemerkenswerte Leistung von Schafen und Schäfern – und sicher längst nicht so romantisch, wie manch einer es sich vorstellen mag.
1Die vielen Vorteile der Wanderschäferei
Die harte Arbeit der Schäfer hat die Kulturlandschaft, wie wir sie heute kennen, entscheidend geprägt. Durch sie entstanden artenreiche Weiden und Triften, ihre Herden sorgten im Nachtpferch für die Düngung von Wiesen und Äckern, und – ganz wesentlich – die Schafe sorgten für den genetischen Austausch zwischen den Weiden, indem sie in Fell, Hufen und Mägen Samen transportierten. Auch Kleinstlebewesen wie zum Beispiel Heuschrecken oder Schnecken konnten so über die Zugwege der Herden verbreitet werden und fanden neue Lebensräume.
Heute gehört das Bild der über hunderte Kilometer ziehenden Herden eher der Vergangenheit an. Die Hüteschäferei ist selten geworden, hat einträglicheren Berufen und Landnutzungsformen Platz gemacht. Mit ihr verschwindet allerdings auch die Landschaft, die durch die stete Beweidung entstanden ist: ein Verlust, nicht nur fürs Auge, sondern auch für die zahlreichen Arten, die dank der Schäfer und ihren Herden einen sicheren Lebensraum hatten.
Eine neue Chance für die Natur
Im Pfälzerwald möchte das Team des chance.natur Projektes „Neue Hirtenwege im Pfälzerwald“ dieser Entwicklung entgegenwirken und Anpassungsprozesse unterstützen. Erste Überlegungen dazu gab es bereits im Jahr 2016. Damals gab es hier noch sechs größere Schafherden im Biosphärenreservat und mehrere große Herden im Randbereich des Großschutzgebietes. Die Anzahl der Betriebe und auch der Zugwege haben sich unterdessen bereits weiter reduziert. Heute gibt es nur noch vier große Betriebe. Ein Wanderschäferbetrieb zieht jedoch bis heute noch mehrere hundert Kilometer durch den nördlichen Pfälzerwald.
Helmut Schuler und sein Team erkannten das Potenzial dieser Herden für die wertvollen Flächen, die es im Pfälzerwald zu erhalten gilt: „Wir haben es bisher aufgrund von Personal- und Mittelknappheit kaum geschafft, alle verstreuten wertvollen Biotopflächen im Biosphärenreservat offenzuhalten“, erzählt er. Schließlich entsteht eine Idee: Kann hier wieder ein lebendiger Biotopverbund mithilfe der ziehenden Herden als Landschaftspfleger und Samentaxis entstehen?
Start des Projektes
Innerhalb von fünf Jahren nimmt diese Idee als BfN-gefördertes Naturschutzgroßprojekt konkrete Formen an. In Projektphase I wurde von 2017 bis 2022 durch Fachbüros ein umfassender Pflege- und Entwicklungsplan erarbeitet. Zahlreiche Akteure bringen sich ein – vor allem in den Arbeitsgruppen „Beweidung“ und „Forst/Offenland“, aber auch aus dem Bereich des Naturschutzes und den Kommunen.
Gemeinsam arbeiten die Beteiligten heraus, was wirklich gebraucht wird: bessere Zugwege mit angrenzenden Flächen, die als zusätzliche Weideflächen oder Nachtpferche genutzt werden können, aber auch für eine bessere Wahrnehmung der Schäferei und ihrer Bedeutung sorgen.
Phase II beginnt
Mit Beginn der Projektphase II im Jahr 2024 arbeitet das Team des chance.natur-Projekts nun an der Umsetzung des Pflege- und Entwicklungsplanes. Zunächst müssen Flächen gesichert werden. Eine Aufgabe, die besonders herausfordernd ist, da aufgrund der Realerbteilung viele Flurstücke extrem klein sind. Das macht die Suche nach Flächeneigentümern enorm zeitintensiv – zumal die Erben manches Mal nicht einmal auf demselben Kontinent leben. Durch Ankauf oder langfristige Pachtverträge, versuchte das Team zusammenhängende Flächen zu gewinnen.
Wir möchten dafür sorgen, dass naturschutzfachlich hochwertige Pflege vor Ort wieder etabliert wird. Helmut Schuler, Projektleiter
Die Sicherung von Flächen ist für das Ziel des Projekts essenziell, da es, um die Wanderschäferei im Pfälzerwald zu unterstützen, nicht nur Wege braucht, auf denen die Herden ziehen können: zugewachsene Flächen müssen zunächst entbuscht werden, es braucht Nachtpferche oder die Feldflur, die von den Schafen genutzt werden können. Zudem müssen neben den Flächeneigentümern auch Kommunen, der Forst, die Jägerschaft sowie Hobbytierhalter – und nicht zuletzt auch die Bevölkerung – ins Boot geholt werden.

Arbeitsgruppen, Artikel und TV-Auftritte
Kommunikation ist daher ein wesentlicher Bestandteil im Projekt „Hirtenwege“ – in festen Arbeitsgruppen, aber auch in Form von Öffentlichkeitsarbeit. Das Team steht mit vielen Redaktionen in Kontakt und berichtet regelmäßig. In den Regionalzeitungen ist das Projekt deshalb genauso präsent wie im Fernsehen.
Ausblick
In Zukunft ist ein Themenwanderweg geplant. Außerdem sollen Trockenmauern und andere Kleinhabitate restauriert werden und auf Pilotflächen sollen Leuchtturmprojekte entstehen, die zeigen, wie mit extensiver Beweidung artenreiche, vernetzte Biotope entwickelt werden können. Helmut Schuler erklärt den Hintergrund dieser Anstrengungen: „Uns ist wichtig, dass ein Mosaik entsteht aus offenen Bereichen, Wald und Streuobst.“ Er weiß: Nur dieses eng verzahnte Habitatmosaik kann die vielen Zielarten des Projekts – von der Orchidee über Neuntöter bis hin zur Mopsfledermaus – nachhaltig fördern.
- Projektname: Neue Hirtenwege im Pfälzerwald
- Projektträger: Bezirksverband Pfalz
- Projektleitung: Helmut Schuler
- Ziele: Erhöhung der biologischen Vielfalt im Pfälzerwald, Schaffung eines lebendigen Biotopverbunds, Entwicklung von Perspektiven für die Wanderschäferei, Förderung traditioneller Obstsorten, Pflege und Entwicklung der historischen Kulturlandschaft
- Finanzierungsumfang: 11,5 Mio?€
- Finanzierung: gefördert durch: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz und Bundesamt für Naturschutz über chance.natur, Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität (Aktion Grün), Bezirksverband Pfalz
Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen
Geschäftsstelle Pfälzerwald
Franz-Hartmann-Straße 9
67466 Lambrecht (Pfalz)
Tel.: 06325/9552-0
E-Mail: info@pfaelzerwald.bv-pfalz.de
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