Bis zu 1400 potenziale Wolfsterritorien in Deutschland!
Eine vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) in Auftrag gegebene und veröffentlichte wissenschaftliche Studie kommt zu dem Ergebnis, das es in Deutschland viele geeignete Lebensräume für Wölfe gibt. Es sei davon auszugehen, dass in Deutschland für etwa 700 bis 1400 Territorien geeigneter Lebensraum vorhanden ist. Im Monitoringjahr 2018/2019 gab es in Deutschland 105 Wolfsrudel, 29 Paare und 11 territoriale Einzeltiere in 145 Territorien.
- Veröffentlicht am
Zu diesem Ergebnis kommt eine wissenschaftliche Studie der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Wolf (DBBW), des Leibniz Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW), der Technischen Universität Berlin, der Humboldt Universität Berlin und des Forschungsinstituts für Wildtierkunde und Ökologie (Wien), die das BfN in Auftrag gegeben hat.
BfN: Ergebnis ist keine Zielgröße
Die Ergebnisse vermitteln laut BfN ein Bild darüber, welches Verbreitungspotential der Wolf in Deutschland besitzt. Demnach sei es sinnvoll, sich auch in den bislang noch nicht von Wölfen besiedelten Gebieten auf deren mögliche Ansiedlung vorzubereiten. Insbesondere sollten, so eine Empfehlung der Studie, bereits jetzt effektive Schutzmaßnahmen von Weidetieren vor Wolfsübergriffen gefördert und umgesetzt werden, um Nutztierübergriffe dauerhaft zu reduzieren.
Nach den jetzt vorliegenden Analysen sei davon auszugehen, dass in Deutschland für etwa 700 bis 1400 Territorien geeigneter Lebensraum vorhanden ist, informiert das Bundesamt für Naturschutz in einer Pressemeldung vom 6. Mai 2020. Diese Aussage gelte unter der Annahme, dass die Territoriengröße bei etwa 200 km² liegt. Die Ergebnisse der Studie besitzen keine Vorhersagekraft und stellen auch keine Zielgröße für eine deutschlandweite Bestandsentwicklung dar, betont das BfN, sondern sie zeigen vielmehr das Potenzial für mögliche Wolfsterritorien in Deutschland auf.
WWF: Heimkehr der Wölfe erfreulich
Die Naturschutzorganisation WWF Deutschland bezeichnete die Ergebnisse als „spannende Zukunftsprognose“. Zugleich mache das Potenzial deutlich, dass die Politik Schäfer und Nutztierhalter nicht länger allein lassen dürfe. Der WWF fordert daher einen finanziell solide ausgestatteten, flächendeckenden Herdenschutz. Dr. Diana Pretzell, Leiterin Biodiversität beim WWF Deutschland, sagt dazu: „Die Heimkehr der Wölfe ist sehr erfreulich und ein Zeichen für erfolgreichen Artenschutz." (Anmerkung der Redaktion: Der geschickt gewählte Begriff "Heimkehr" steht im deutschen Sprachgebrauch für etwas sehnlichst Herbeigesehntes.)
Die neuen Berechnungen zeigen, dass man sich in ganz Deutschland auf den Wolf als Mitbewohner einstellen müsse. Nach Ansicht des WWF Deutschland stehe und falle ein friedliches und konfliktfreies Zusammenleben von Wolf und Mensch mit einem flächendeckendem Herdenschutz. Der müsse vom Staat unterstützt werden, insbesondere finanziell.
Es sei abzusehen, dass sich Wölfe in allen Flächenbundesländern etablieren. Daher brauche es eine frühzeitige Umsetzung effektiver Herdenschutzmaßnahmen, und zwar auch für die Gebiete, in denen bislang noch keine Wölfe leben. Das umfasse nach Aussage des WWF Prävention durch Herdenschutzhunde und geeignete Zäune, Beratungsangebote und eine sofortige, unbürokratische Kompensation bei Wolfsübergriffen auf entsprechend geschützte Weidetiere. "Wir müssen Weidetierhalter und ihre Leistung für unsere Natur, die Kulturlandschaft und die Versorgung mit Nahrung endlich anerkennen und sie besser unterstützen“, betonte Dr. Diana Pretzell.
FDS: Weidetierhalter entsetzt
Die Weidetierhalter in Deutschland zeigen sich entsetzt angesichts der Freude des WWF, der hierzulande Platz für bis zu 1400 Wolfsrudel sieht, was ungefähr einer Verzehnfachung entspräche.
„Dieses Horrorszenario darf niemals Wirklichkeit werden“, sagt Wendelin Schmücker, Vorsitzender des Fördervereins der Deutschen Schafhaltung (FDS). „Wir fordern von der Politik, sich dem Einfluss realitätsfremder Ideologen zu entziehen.“ Die Schäden seien bereits jetzt so groß, dass die Existenz vieler Betriebe auf dem Spiel stehe. „Durch aktuell mindestens 105 Wolfrudel in Deutschland haben nicht wenige Weidetierhalter Tierverluste im dreistelligen Bereich zu beklagen. Eine Verzehnfachung der Anzahl an Wölfen würde definitiv das Aus für die Weidetierwirtschaft in Deutschland bedeuten.“
Friedliche Koexistenz nicht möglich
Die vom WWF angestrebte "friedliche Koexistenz" sei ein absurdes Märchen, sagte Schmücker. In Wirklichkeit ließen sich Weidetiere auf Deichen oder Almen nicht durch Zäune schützen. Selbst, wo Herdenschutzzäune nach den gesetzlichen Vorgaben zum Einsatz kommen können, würden diese regelmäßig von Wölfen überwunden. Das belegten auch die Ausgleichszahlungen für gerissene Tiere, die seit Erstsichtung des Wolfs in Deutschland auf 1,1 Mio. Euro in die Höhe schnellten.
Ausgleichszahlungen sieht Wendelin Schmücker ohnehin skeptisch: „Die große emotionale Belastung durch gerissene Tiere, die zum Teil noch leben, und das entsetzliche Leid der Tiere lassen sich mit Geld nicht wieder gut machen.“ In Regionen, in denen ein effektiver Herdenschutz nicht möglich sei, sei es durch die Landschaftsform oder durch Wolfsrudel, führe an einer konsequenten Bestandsregulierung daher kein Weg vorbei. Anstatt die Ausbreitung des Wolfes voranzutreiben, seien vielmehr enge Grenzen notwendig.
Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Artikel kommentierenSchreiben Sie den ersten Kommentar.