Wie werden unsere Parteien uns vertreten?
Im Hinblick auf die Europawahl am 26. Mai 2019 haben wir die sechs im Bundestag vertretenen Parteien um ihre Meinung zu einigen ausgewählten Themenbereichen gebeten.
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1. Welchen Stellenwert misst Ihre Partei der Schaf- und Ziegenhaltung in Deutschland bei, und warum sollten Schaf- und Ziegenhalter Ihre Partei wählen?
CDU und CSU schätzen die Leistungen der Schaf- und Ziegenhalter beim Natur- und Landschaftsschutz und für die Biodiversität als sehr hoch ein. Die Weidehaltung bedeutet insbesondere in Überschwemmungsgebieten und auf grundwassernahen Standorten eine naturverträgliche Form der landwirtschaftlichen Nutzung. Zum Erhalt ökologisch wichtiger Lebensräume und attraktiver Landschaften, zum Beispiel artenreicher Wachholderheiden, oder auch in der Deichpflege, sind die Schaf- und Ziegenhalter unverzichtbar. Die umweltfreundliche Nutzung durch Schafe und Ziegen ist ein wichtiger Beitrag zur Bewältigung der großen Herausforderung im Bereich des Umwelt-, Klima- und Gewässerschutzes. Auch sind Schaf- und Ziegenfleisch sowie Schaf- und Ziegenmilch aus heimischer Erzeugung wahre Spezialitäten, die insbesondere die regionale Gastronomie und Küche bereichern.
Die Schaf- und Ziegenhaltung in Deutschland hat in CDU und CSU, in den von uns geführten Landesregierungen, der Bundesregierung und auch in den Abgeordneten im Europäischen Parlament starke und verlässliche Partner. Wir werden uns dafür einsetzen, dass schaf- und ziegenhaltende Betriebe auch in Zukunft eine wirtschaftliche Perspektive in Deutschland haben.
SPD: Die Schaf- und Ziegenhaltung spielt in Europa eine besondere Rolle. Insbesondere in Verbindung mit extensiver Weidehaltung kann diese Haltungsform zu einer Verbesserung der Böden, der Erhaltung der biologischen Vielfalt der Öko-Systeme sowie zur Vorbeugung von Überschwemmungen, Lawinen oder Waldbränden führen. Die Bereitstellung von diesen öffentlichen Gütern soll in Zukunft höher vergütet werden. Daher haben wir uns im Europäischen Parlament für die Ausdehnung von Agrarumweltzahlungen auf Weideflächen für Schafe und Ziege eingesetzt.
FDP: Eine ausgeprägte Schaf- und Ziegenhaltung in Deutschland trägt zur Erhaltung unserer Kulturlandschaften und im Rahmen der Deichbeweidung zur Sicherheit der Menschen in unserem Land bei. Artenschutz und Biodiversität stehen häufig in enger Verbindung zur Weidewirtschaft. Ziel von uns Freien Demokraten ist es daher, die Weidetierhaltung in Deutschland in angemessener Weise zu fördern und so zur Erhaltung einer natur- und umweltschonenden Wirtschaftsweise beizutragen. In diesem Zusammenhang bekennen wir uns klar zu den Fördermöglichkeiten für Schaf- und Ziegenhalter im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik. Bestehende Programme wollen wir durch gezielte Entbürokratisierungsmaßnahmen attraktiver gestalten. Durch die Abschaffung starrer und teils unsinniger Vorgaben wollen wir zudem den Vertragsnaturschutz stärken.
Bündnis90/Die Grünen: Wir GRÜNE messen der Schaf- und Ziegenhaltung in Deutschland einen großen Wert bei. Schaf- und Ziegenhalter*innen pflegen landwirtschaftliches Dauergrünland. Das sind in der Regel Flächen mit hohem Naturschutzwert, die ohne Beweidung häufig mühevoll von Baumbewuchs befreit werden müssten. Wir setzen uns daher für eine Weidetierprämie ein, von der Schaf- und Ziegenhalter*innen profitieren können.
DIE LINKE kämpft darum, dass die umfangreichen gesellschaftlichen Leistungen der Schaf- und Ziegenhaltungen so anerkannt werden, dass man davon leben kann. Die Halterinnen und Halter Kleiner Wiederkäuer tragen zu Natur-, Arten-, Hochwasser- und Klimaschutz sowie zum Schutz der biologischen Vielfalt bei, und sie versorgen uns mit hochwertigen Lebensmitteln und Naturprodukten. Gleichzeitig ist die Weidehaltung die in der Gesellschaft anerkannteste Nutztierhaltung. Dass trotzdem die Zahl der schaf- und ziegenhaltenden Betriebe als auch der Schafe und Ziegen sinkt, ist absurd und Folge einer falschen Agrar- und Agrarförderpolitik, die Gemeinwohlleistungen nicht angemessen berücksichtigt. Ohne notwendige Flächenprämien, faire Erzeugerpreise oder angemessene Unterstützung beim Herdenschutz verschärft sich die prekäre Einkommenssituation weiter. Das kritisiert DIE LINKE seit Jahren, erst Recht, weil die Schaf- und Ziegenhaltung gebraucht wird. Die Forderungen stehen z.B. in zwei Anträgen: „Weidetierprämie für Schafe und Ziegen jetzt auf den Weg bringen“ (gemeinsam mit Bündnis90/Die Grünen, Drucksache 19/1691) und „Herdenschutz bundesweit wirkungsvoll durchsetzen“ (Drucksache 19/581).
Die AfD steht zur Förderung von landwirtschaftlichen Familienbetrieben und Genossenschaften. Dies bezieht ausdrücklich auch die Schaf- und Ziegenhalter mit ein. Insbesondere die Wanderschäferei leistet einen unersetzlich wichtigen Beitrag für die Erhöhung der Artenvielfalt und für die Landschaftspflege. Der Erhalt der Wanderschäferei hat deshalb einen sehr hohen Stellenwert und muss daher besonders geschützt werden. Diese Betriebe und ihr öffentliches Erscheinungsbild sind nicht nur ein wertvoller Bestandteil unserer mitteleuropäischen Kultur, sondern gleichzeitig landwirtschaftliche Produzenten, die zur Ernährung unserer Gesellschaft beitragen.
2. Sehen Sie eine Möglichkeit, dass die zukünftige Agrarreform ähnlich wie in den meisten anderen EU-Mitgliedsländern eine gekoppelte Prämie oder einen Zuschlag für einen Weidetierbesatz im Rahmen der Ersten Säule beschließt?
CDU/CSU: Gekoppelten Prämien stehen wir generell sehr skeptisch gegenüber, denn sie bergen immer die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen. Deshalb setzen wir uns bei den Verhandlungen zur Weiterentwicklung der EU-Agrarpolitik zunächst dafür ein, dass gekoppelte Prämien zurückgedrängt werden.
Das heißt natürlich keinesfalls, dass wir nichts für Weidetierhalter, insbesondere Schaf- und Ziegenhalter, tun. Wir wollen z. B. eine höhere Förderung der ersten Hektare durchsetzen. Davon werden flächenarme tierhaltende Familienbetriebe besonders profitieren.
Zudem setzen wir uns für einen im Volumen mindestens konstanten Agrarhaushalt der EU ein und eine ausreichend finanzierte zweite Säule. So können die Bundesländer weiterhin EU-geförderte Programme auflegen, an denen die Schaf- und Ziegenhalter teilnehmen und die von ihnen besonders gut genutzt werden können. Wanderschäfer erhalten künftig eine nationale Prämie in Höhe von 40 Euro pro Tier. Dafür haben wir im Bundeshaushalt 2019 unter dem Stichwort „Bundesprogramm Wolf“ bereits Geld eingestellt.
SPD: Auch wenn wir gekoppelte Zahlung grundsätzlich ablehnen, so stellt die Schaf- und Ziegenhaltung in Europa für uns eine mögliche Ausnahme dar. Sie ist extrem unter Druck, daher sollten gekoppelte Zahlungen für die Schaf- und Ziegenhaltung im Rahmen der nächsten GAP erhalten bleiben, auf Deutschland ausgeweitet und nach Möglichkeit aufgestockt werden. Dafür hat sich die Europa-SPD im EU-Parlament stark gemacht. Wir wollen nicht, dass noch mehr Betriebe aufgeben müssen und diese nachhaltige Form der multifunktionalen Tierhaltung in Europa verloren geht.
FDP: Wir Freie Demokraten behalten bei der GAP-Reform die Notwendigkeit im Blick, ein passgenaues Förderinstrument für die nachhaltige Beweidung durch Schafe und Ziegen zu finden. Dieses Angebot muss aus unserer Sicht jedoch auch möglichst bürokratiearm sein, um die Betriebe und die Verwaltung bei der Antragsstellung nicht unnötig zu überlasten.
Eine gekoppelte Prämie pro Tier innerhalb der ersten Säule birgt in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit, dass sie mit einem gewissen Aufwand im Rahmen der übrigen, flächenbezogenen Prämien abgestimmt, verwaltet und kontrolliert werden muss. Vor diesem Hintergrund halten wir es für wahrscheinlich, dass Förderinstrumente der zweiten Säule am Ende zweckmäßiger für die Schaf- und Ziegenhalter sind.
Bündnis90/Die Grünen: Wir treten dafür ein, dass gekoppelte Zahlungen an eine nachhaltige Wirtschaftsweise geknüpft werden. Aus unserer Sicht erfüllen Wanderschäfer*innen und Landwirt*innen, die in der Schaf- und Ziegenhaltung auf eine Weidewirtschaft setzen, diese Anforderungen in vollem Maße. Daher sollten alle Mitgliedstaaten und auch Deutschland, von der Möglichkeit dieser gekoppelten Zahlung Gebrauch machen.
DIE LINKE hat bereits für die jetzig laufende EU-Förderperiode einer gekoppelten Weidetierprämie für die Schaf- und Ziegenhaltung gefordert. Alle anderen EU-Mitgliedsstaaten nutzen die Möglichkeit von Ausnahmen vom Grundprinzip der Entkopplung der Agrarförderung. Diese Ausnahme für die Weidetierhaltung ist absolut gerechtfertigt, weil Schaf- und Ziegenhalterinnen und -halter z.B. das Grünland erhalten, das auch für den Klimaschutz wichtig ist, weil es eine besonders tiergerechte Haltung ist und weil sie dringend Unterstützung brauchen angesichts nicht angemessener Bezahlung ihrer Arbeit für ihre Produkte. Deshalb nutzen 27 Mitgliedstaaten der EU eine Weidetierprämie. Aufgrund der schwierigen Situation in der Schaf- und Ziegenhaltung hat die Linksfraktion gemeinsam mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eine Weidetierprämie beantragt. Leider wird diese durch Union und SPD weiter abgelehnt. Für die neue Förderperiode bleibt DIE LINKE bei der Forderung, die Direktzahlungen zielgenau an soziale und ökologische Leistungen zu binden, damit ginge öffentliches Geld auch für die öffentlichen Leistungen der Weidetierhaltung.
AfD: Die bisherige Form der EU-Agrarförderung benachteiligt vollerwerblich wirtschaftende Schäfereibetriebe ohne feste Flächenbindung oder mit ausschließlich minimalem Besitz von Eigenflächen. Diese werden damit von der sogenannten 1. Säule komplett ausgeschlossen. Die traditionell wirtschaftenden Wanderschäfereien fallen somit aus dem Raster des Bewilligungssystems. Deshalb hat die AfD die Bundesregierung aufgefordert, die Vergaberichtlinien bei der EU-Agrarförderung für neben- oder vollerwerblich wirtschaftende Schäfereibetriebe ohne feste Flächenbindung oder mit minimalen Eigenflächenbesitz in Form einer Weidetierprämie zu erweitern.
Langfristig fordert die AfD die Renationalisierung der Gemeinsamen Agrarpolitik, möchte also die Förderungspolitik der EU in die Mitgliedsstaaten und damit nach Deutschland zurückholen. Dies würde bedeuten, dass mehr Fördermittel zur Verfügung stünden. Auch wäre eine längst überfällige Entbürokratisierung der Agrarsubventionen möglich. Landwirtschaftliche Subventionen müssen neben der Flächengröße besonders die weiteren Leistungen kleiner Familienbetriebe berücksichtigen. Auch dies käme den kleineren Betrieben und der Wanderschäferei entgegen. Außerdem möchte die AfD die regionale Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse unterstützen. Die Landwirtschaft braucht ehrliche Erzeugerpreise.
3. Die Weidetierhaltung, insbesondere die Schaf- und Ziegenhaltung, leidet unter der Rückkehr des Wolfes. Das ist kein deutsches, sondern ein europäisches Problem. Welche Möglichkeiten sehen Sie auf europäischer Ebene für eine Populationsbegrenzung und die Übernahme des Wolfes in Anhang V statt bisher Anhang IV der FFH-Richtlinie?
CDU/CSU: Wir nehmen die Sorgen der Weidetierhalter angesichts der stark wachsenden Wolfsbestände in Deutschland und Europa sehr ernst. Deshalb haben wir ausdrücklich in unserem Europawahlprogramm formuliert, dass der strenge Schutzstatus des Wolfs im europäischen Naturschutzrecht zu ändern ist – auch um eine entsprechende Bestandsregulierung zu ermöglichen. Konkret setzen wir uns dafür ein, dass der Wolf von „streng geschützt“ in „geschützt“, d. h. von Anhang IV in Anhang V überführt wird.
Grundlage dafür ist eine realistische Bewertung der Wolfsbestände in Deutschland und Europa. Diese kann nicht national erfolgen, denn die in Deutschland beheimateten Wölfe bilden mit denen in Westpolen die zentraleuropäische Population. Zwischen dieser und der nordostpolnischen-baltischen Population findet ein genetischer Austausch statt. Betrachtet man diese Zusammenhänge, ist der günstige Erhaltungszustand beim Wolf erreicht. Deshalb fordern wir, dass der Erhaltungszustand künftig in Europa grenzüberschreitend erfasst wird.
SPD: Der Erhaltungszustand des Wolfes sollte nicht nur auf nationalstaatlicher, sondern auf europäischer Ebene bewertet werden. Im Herbst 2019 wird die EU-Kommission nach aktuellen Zahlen der Mitgliedstaaten eine Neubewertung des Erhaltungszustands vornehmen. Die Mitgliedstaaten können bereits jetzt im Einklang mit der Habitatrichtlinie geeignete Maßnahmen ergreifen, um Konflikte mit dem Wolf zu reduzieren. Nach Einzelfallprüfungen können Wölfe aktiv vergrämt werden. Sehr aggressive Wölfe können auch getötet werden. Außerdem setzen wir uns dafür ein, dass Wolfsbeauftragte ernannt werden, um bei Streitigkeiten bei Wolfsrissen zu vermitteln. Die wirtschaftlichen Verluste müssen vollständig kompensiert werden.
FDP: Im Deutschen Bundestag war die Fraktion der Freien Demokraten die erste, die parlamentarische Maßnahmen für eine Überführung des Wolfes von Anhang IV in Anhang V der FFH-Richtlinie auf den Weg gebracht hat. Trotz gleichlautender Absichtsbekundungen von CDU/CSU stimmten deren Vertreter unserem Antrag im Bundestag nicht zu. Es blieb bei Lippenbekenntnissen. Wir lassen uns jedoch nicht entmutigen und suchen stattdessen auf europäischer Ebene nach Verbündeten. Mit der Umstufung des Schutzstatus des Wolfes gemäß FFH-Richtlinie ist es aber nicht getan. Wir setzen uns daher auf nationaler Ebene für die Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht ein. Zudem fordern wir eine Umkehr der Beweislast und einen Rechtsanspruch auf schnelle und unbürokratische Entschädigungen bei Nutztierrissen. Zudem müssen die Bemühungen der Weidetierhalter beim Herdenschutz finanziell endlich angemessen ausgeglichen werden.
Bündnis90/Die Grünen: Schaf- und Ziegenhalter*innen sollten mehr Unterstützung erhalten, um sich gegen Wolfsangriffe zu schützen. Eine Änderung der Anhänge der FFH-Richtlinie ist aber keine Frage, die politischen Erwägungen unterliegt, sondern wissenschaftlichen Feststellungen. Laut den offiziellen Zahlen und Berichten des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) und der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) hat der Wolf noch keinen günstigen Erhaltungszustand gemäß FFH-Richtlinie erreicht. Daher setzen wir uns nicht dafür ein, den Wolf in Anhang V zu listen. Auch wenn der Wolf in Deutschland gerade einen starken Populationszuwachs erlebt, ist er immer noch eine gefährdete Art. Im Einzelfall ist aber auch schon jetzt die Herausnahme von Problemwölfen möglich.
DIE LINKE kämpft seit vielen Jahren für einen Rechtsanspruch auf angemessene Unterstützung beim Herdenschutz, und zwar schon bevor Wölfe in die Region zurückkehren. Das muss deshalb Schwerpunkt sein, weil die Hirtinnen und Hirten ihre Herden schützen wollen und müssen – unabhängig von der Zahl der Wölfe. Zumal die Weidetierhaltung in ihrer Existenz bedroht war, lange vor der Rückkehr der Wölfe, die aber natürlich eine weitere große Belastung sind, die eine Unterstützung durch die Gesellschaft klar begründet. Während die Koalition das Problem aussitzt, hat DIE LINKE wiederholt mehr Unterstützung eingefordert, z.B. ein Bundesprogramm Weidetierhaltung mit 50 Mio. Euro für den Bundeshaushalt 2019 und ein Herdenschutzkompetenzzentrum, das bundeseinheitliche Herdenschutzmaßnahmen entwickelt, berät und unterstützt. Trotzdem muss angesichts einer dynamischen Populationsentwicklung der Schutzstatus des Wolfes regelmäßig wissenschaftlich geprüft werden. Diese Diskussion ist aber keinesfalls ein Ersatz für eine konsequente Unterstützung für den Herdenschutz.
AfD: Die bedingungslose Wiederansiedlung des Wolfs wird von den Behörden unter Berufung auf die Zielsetzung der EU-Richtlinien zum Natur- und Artenschutz betrieben. Die AfD hält Wölfe für eine Tierart, die schlecht in unsere gewachsene Kulturlandschaft passt. Wölfe sollten räumlich und zahlenmäßig strikt begrenzt werden – nach dem Vorbild von Schweden und Norwegen.
4. Schafwolle ist nach wie vor nicht als Agrarprodukt in den Römischen Verträgen aufgenommen. Damit ist sie von der Agrarförderung ausgeschlossen. Welche Möglichkeiten sehen Sie, dies für Schafwolle als doch wertvollen Rohstoff endlich nachzubessern?
CDU/CSU: In der ursprünglichen Fassung des EWG-Vertrages war geregelt, dass der Rat binnen zwei Jahren nach Inkrafttreten des Vertrages mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission entscheidet, welche Erzeugnisse noch aufzunehmen sind. Diese zwei Jahre bezogen sich auf das Inkrafttreten des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirt-schaftsgemeinschaft vom 25. März 1957. Die Ermächtigung zur Erweiterung der Liste ist mittlerweile gestrichen. Sie fiel im EG-Vertrag in der Fassung des Amsterdamer Vertrages (1999) weg. Der Anhang mit der Liste zu Artikel 38 kann gegenwärtig nicht mehr erweitert werden.
Schafwolle ist ein wertvoller Rohstoff, für den es einen Markt gibt. Wir wollen die Schaf-halter unterstützen, höhere Aufmerksamkeit für ihre Produkte - auch für die Wolle - zu erreichen und ihre Vorteile darzustellen. Ganz grundsätzlich setzen sich CDU und CSU dafür ein, die Stellung der Landwirte in der Vermarktungskette zu stärken. Wir unterstüt-zen Erleichterungen bei der Bildung von Erzeugergemeinschaften, mehr Markttransparenz sowie Maßnahmen gegen unlautere Handelspraktiken. Diese Möglichkeiten müssen auch genutzt werden. Erzeuger von Wolle haben bereits jetzt die Möglichkeit, sich in Erzeuger-organisationen zusammenzuschließen und so für eine bessere Bündelung des Angebots und eine Professionalisierung der Vermarktung zu sorgen.
SPD: Eine Änderung der Verträge kann nur von allen Mitgliedstaaten gemeinsam beschlossen werden. Derzeit ist Schafwolle ein sogenanntes landwirtschaftliches Nebenprodukt eingestuft. Diese Eingruppierung kann nur gemeinschaftlich verändert werden. Aktuell gibt es dafür keine ausreichenden Bestrebungen. Falls es zu einer Änderung der europäischen Verträge kommen sollte, würden wir die Aufnahme von Schafwolle unterstützen.
FDP: Neben der allgemeinen Marktentwicklung leidet die Wollvermarktung in Deutschland auch an einigen strukturellen Wettbewerbsnachteilen. Vor allem in Regionen mit klein strukturierter Schafhaltung beeinträchtigt die aufwändige Erfassung und Sortierung marktfähiger Wollsortimente wegen der kleinen Wollmenge pro Betrieb insgesamt die Wirtschaftlichkeit. Zudem gibt es in Deutschland praktisch keine nennenswerten industriellen Kapazitäten mehr bei der Reinigung und Waschung von Rohwolle. Wir Freie Demokraten wollen die Schafhalter daher in Deutschland von wettbewerbsverzerrenden Auflagen entlasten, etwa bei der Abwasserbehandlung aus Wollverarbeitung, und uns auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass es im Rahmen der Gemeinsamen Marktordnung zulässig wird, gezielt regionale Vermarktungsinitiativen für heimische Wolle zu fördern.
Bündnis90/Die Grünen: Wir GRÜNE sind der Auffassung, dass die Agrarförderung konsequent an hohe Standards beim Umwelt-, Klima- und Tierschutz sowie an Sozialstandards gebunden werden muss. Wir setzen uns für eine vielfältige Agrarstruktur mit lebendigen ländlichen Räumen und zukunftsfesten Betrieben ein. Dazu gehört, dass Landwirte faire Preise aus einer nachhaltigen Erzeugung erzielen, von diesem Paradigmenwechsel in der Agrarförderung können sicherlich Ziegen- und Schafhalter sehr profitieren.
Neue Produkte in den Katalog der förderfähigen Agrarprodukte mit aufzunehmen, ist aus unserer Sicht zurzeit unrealistisch. Einzelne Förderprogramme im nicht-landwirtschaftlichen Bereich, wie beispielsweise zum Einsatz innovativer Produkte (z.B. Dämmstoffe) sind aus unserer Sicht zielführend.
Die LINKE: Da Schafwolle ein sehr wichtiger nachwachsender Rohstoff ist, dessen Bedeutung sehr vielfältig auch für den Ausstieg auf den fossilen Ressourcen wächst, muss alles für eine neue Inwertsetzung getan werden. Dazu gehört auch die Prüfung des Status als Agrarprodukt im Rahmen der Bioökonomiestrategie.
AfD: Bei Schafwolle handelt es sich um einen nachhaltigen und vielfältig einsetzbaren Rohstoff. Mit Verweis auf die Antwort zu Frage 2 fordert die AfD die Renationalisierung der Agrarfördermittel und setzt sich für die Stärkung der regionalen Vermarktung sowie ehrliche Erzeugerpreise ein. Ob und wie dann eine zusätzliche Förderung der Schafwolle nötig ist, muss untersucht werden. Grundsätzlich wäre das vorstellbar.
5. Welche Auswirkungen erwarten Sie durch den Brexit auf die Import-/Exportsituation für die Schafhaltung und insbesondere die Lammfleischpreisentwicklung in Deutschland?
CDU/CSU: Durch die politischen Unklarheiten in Großbritannien ist derzeit noch nicht absehbar, unter welchen Konditionen das Land aus der EU ausscheiden wird. Deshalb können wir zu der Frage nur einige grundsätzliche Ausführungen machen. Großbritannien und Nordirland sind innerhalb der EU bedeutende Erzeuger und Um-schlagplätze für Schaffleisch. Für den Fall eines ungeregelten Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union würden die Lieferungen an Schaf- und Ziegenfleisch von dort in die Europäische Union von derzeit über 80 000 Tonnen voraussichtlich zurückgehen, da sie sehr hoch verzollt werden müssten. Da der Selbstversorgungsgrad in der EU aktuell bei etwa 90 % liegt, werden die verringerten Einfuhren aus Großbritannien wahrscheinlich durch zollfreie Importe aus lieferstarken Drittländern ersetzt werden. Insofern sind keine extremen Auswirkungen auf den Marktverlauf in der EU oder in Deutschland zu erwarten. Gleichwohl ergeben sich bei einer Neusortierung der Märkte immer Chancen. Es ist an den Wirtschaftspartnern, diese für die heimische Erzeugung zu nutzen.
SPD: Der Brexit wird voraussichtlich wesentliche Veränderungen beim innereuropäischen Handel mit Schaffleisch nach sich ziehen, da das Vereinigte Königreich der größte Erzeuger und das wichtigste Einfuhrland für Schaffleisch aus Drittstaaten ist. Leider kann sich die EU nicht von heute auf morgen von ihren internationalen Quoten in Handelsabkommen freimachen, was die durch den Brexit ausgelösten Unwägbarkeiten noch verstärkt. Der Austritt des Vereinigten Königreichs dürfte insbesondere die irische Schafhaltung in
Mitleidenschaft ziehen, die 80 % ihrer Produktion ausführt, wovon 63 % für den französischen und den britischen Markt bestimmt sind. Ebenso kann es negative Auswirkungen auf die Lammfleischpreisentwicklung in Deutschland haben.
FDP: Auf Grund der Vielzahl an Unbekannten lassen sich die Auswirkungen des Brexits noch nicht vollends bewerten. Fest steht jedoch: 90 % der britischen Lammfleischexporte gehen aktuell in die EU. Werden künftig Zölle erhoben, wird das die britische Verhandlungsposition deutlich schwächen. Zudem drücken neuseeländische Exporte vor allem auf den britischen Markt. Der Wegfall der euopäischen Agrarzahlungen wird die Wirtschaftskraft der britischen Schaf- und Ziegenhalter im Vergleich zur EU-27 darüber hinaus schwächen. Insoweit dürften positive Signale für die deutschen Lammfleischpreise zu erwarten sein. Abzuwarten bleibt, inwieweit die Briten durch nationale Stützungsmaßnahmen den heimischen Produzenten unter die Arme greifen.
Bündnis 90/Die Grünen: Der Brexit ist ein historischer Rückschlag für die EU. Wir bedauern den Ausgang des Referendums, aber ein fairer Umgang mit Großbritannien bei der Umsetzung des Votums muss selbstverständlich sein. Die EU muss weiter geschlossen agieren, damit ein Drittland nicht besser gestellt ist als ein Mitgliedsland. Der Brexit darf keine Blaupause für andere Staaten werden. Eine neue Grenze auf der Insel Irland ist zum Erhalt des Friedens inakzeptabel. Es ist richtig, dass die EU hier hart verhandelt. Wir streiten dafür, dass auch Schaf- und Ziegenhalter*innen nicht die Leidtragenden eines Brexits sein werden. Um den Schaden gering zu halten, brauchen wir Planbarkeit. Daher müssen die großen Unsicherheiten durch den Brexit schnellstens geklärt werden!
DIE LINKE: Aufgrund der unklaren Situation (weicher oder harter Brexit) ist eine Einschätzung sehr schwierig. Es muss jedoch davon ausgegangen werden, dass der Brexit egal ob hart oder weich negative Auswirkungen auf die Fleischproduktion in Deutschland hat, worunter auch die Lammfleischproduktion fällt. Das Thünen Institut hat dazu zwei eine umfassende Analysen herausgegeben, in denen von einem negativen Agraraußenhandelsumsatz (Import + Export) ausgegangen wird (-1,2 Mio. Euro beim „harten Brexit“ und -700 Mrd. Euro beim „weichen Brexit“). Die Fleischproduktion ist hiervon am stärksten betroffen, vor allem die Schweine- und Geflügelhaltung. Die Schaf- und Ziegenhaltung wird in den Analysen nicht explizit erwähnt.
AfD: Die Auswirkungen des Brexit auf die Import-/Exportsituation für die Schafhaltung und die Lammfleischentwicklung in Deutschland lässt sich noch nicht ermessen. Es ist aber auf jeden Fall davon auszugehen, dass es insbesondere bei einem „harten“ Brexit zu starken Wechselwirkungen auf den Markt käme.
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Der Fragenkatalog wurde von der „Schafzucht“-Redaktion in Zusammenarbeit mit der Vereinigung Deutscher Landesschafzuchtverbände (VDL) erstellt.
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