Weidewirtschaft und Wolf – ein lösbarer Konflikt?
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Der böse Wolf. Dieses Bild will Landwirtschaftsminister Peter Hauk nicht bedienen, wie er eingangs ausdrücklich betonte. Gleichwohl distanzierte er sich von einer „blauäugigen Willkommenskultur“. Denn leider fresse der Wolf kein Gras, sondern die Tiere, die in Baden-Württemberg die besondere Artenvielfalt von Wacholderheiden und Trockenrasengesellschaften garantieren. Nach Hauks Ansicht müssen sich die Naturschutzverbände darum auch die Frage stellen, was mehr zähle: der Schutz der Biodiversität oder der Schutz einer einzelnen Art.
Abschüsse müssen möglich sein
Die Linie des Ministers ist klar. „Wir brauchen die Weidehaltung, um die Artenvielfalt und damit auch die touristischen Landschaften zu erhalten.“ Dementsprechend hat der Schutz der Weidetiere für ihn Priorität. Er plädiert für ein verantwortungsvolles Wolfmanagement, das den Abschuss einzelner Tiere zulässt. Dafür bedarf es jedoch gesetzlicher Änderungen. Bislang ist der Wolf über das Bundesnaturschutzgesetz und Anhang 4 der FFH-Richtlinien streng geschützt. In Baden-Württemberg wird aktuell diskutiert, den Wolf ins Jagdgesetz aufzunehmen, was sogenannte Einzelentnahmen ermöglichen würde.
In Sachsen, dem Bundesland mit der längsten Wolfserfahrung und dem größten Bestand, wurde der Wolf ins Landesjagdrecht aufgenommen. Die Entnahme hat sich nach den Beobachtungen von Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt dadurch aber nicht vereinfacht. Denn jedem Abschuss geht ein Genehmigungsverfahren voraus, das von heftigen Protesten von Tierschützern begleitet wird, die auch vor persönlichen Verunglimpfungen der beauftragten Jäger nicht zurückschrecken. Um die Bevölkerung in Sachen Wolfmanagement mitzunehmen und gleichzeitig die Nutztierhalter zu stärken, wünscht sich Minister Schmidt ein gemeinsames Handeln im Bund. „Wir brauchen keinen Flickenteppich in Deutschland“, betonte er, „sondern klare Regeln für den Umgang mit Problemtieren.“
Mit der Aufnahme des Themas Wolf in den Koalitionsvertrag ist die Grundlage gelegt. Wie Dr. Axel Heider, Ministerialdirigent im Bundeslandwirtschaftsministerium, in Stuttgart beschrieb, ist es erklärter Wille der Bundesregierung, dass Wölfe, die Zäune überspringen oder durch Dorfstraßen streifen, getötet werden. Die Sicherheit des Menschen habe im Umgang mit dem Wolf oberste Priorität. Zudem bekennen sich die Koalitionäre zum Erhalt der Weidetierhaltung.
Nach Ansicht von Dr. Rainer Luick, Professor für Natur- und Umweltrecht an der Hochschule Rottenburg, muss dafür allerdings mehr geschehen als das erlaubte Abschießen von Problemwölfen. Er sieht in der Diskussion um den Wolf nur ein Ventil, um von den echten Problemen der Schaf- und Ziegenhalter abzulenken. Wie beispielsweise die prekäre Einkommenssituation verbunden mit der hohen Abhängigkeit von staatlichen Transferleistungen, die wiederum an „absurde“ bürokratische Regeln geknüpft sind, wie Luick unter Applaus aufzählte.
Doch, politische Absichtserklärungen hin oder her, Fakt bleibt: Ein Zurück in wolfsfreie Zeiten wird es nicht geben. Vielmehr ist bei einem aktuellen Bestand von rund 600 Wölfen jederzeit und an jedem Ort in Deutschland mit einem Auftreten des Raubtiers zu rechnen. Darum sollte nach Meinung von Dr. Regina Walther vom sächsischen Verband der Schaf- und Ziegenhalter, grundsätzlich jede Herde geschützt werden. Denn: „Der Wolf kennt sich aus und verzeiht keine Fehler.“ Zudem ist er sehr lernfähig und kommt gerne wieder, wenn er es einmal über einen Zaun geschafft hat.
Den Wolf am Eindringen hindern
Entsprechend viel Wert ist auf die Art und den Zustand der Zäune zu legen, wie Heiner Schumann, Mitarbeiter des Wolfsbüros in Niedersachsen, unterstrich. So sind beispielsweise Festzäune ohne Strom wirkungslos, und zwar unabhängig von der Höhe, da Wölfe hervorragend klettern können. Auch bei Elektrozäunung ist weniger die Höhe ausschlaggebend als eine gesicherte Stromführung. Der Zaun sollte ein „spürbares Spannungsfeld“ aufweisen. Voraussetzung dafür ist wiederum eine ordnungsgemäße Erdung sowie ein Freihalten der unteren Litzen von Bewuchs. Darüber hinaus müssen Elektrozäune laut Schumann immer unter Strom stehen, auch wenn keine Tiere auf der Weide sind.
Den besten Schutz bietet nach Erfahrungen aus Sachsen, Niedersachsen und der Schweiz jedoch die Kombination aus Elektrozaun und Herdenschutzhunden. So gab es seit dem Einsatz der Hunde weder bei der Schäferfamilie Benning aus Wümmenniedern noch bei der Schweizer Almhirtin Astrid Summerer Tierverluste, obwohl beide in direkter Nachbarschaft von Wolfsrudeln weiden.
Die Wünsche der Schäfer
Für Anette Wohlfahrt, Geschäftsführerin des Landesschafzuchtverbandes, liegt das größte Problem bei der offenen Haftungsfrage. Wer muss geradestehen, wenn die Herde wegen eines Wolfangriffes ausbricht und einen schwerwiegenden Unfall verursacht? „Dieses Haftungsrisiko ist existenziell für die Tierhalter und muss umgehend geklärt werden“, betonte sie. Verbindliche Aussagen der Politik wünscht sich der Verband außerdem bei den Haltungsvorschriften für Herdenschutzhunde. In der neuen Periode des Herdenschutzprojektes gilt es weiter, das Zaunmaterial und den Einsatz zu optimieren.
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