Wettbewerbsgleichheit in Europa auch für deutsche Schafhalter
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VDL-Vorsitzender Jürgen Lückhoff: „Für die Schafhaltung war die Einführung der Flächenprämie ein Kollateralschaden. Wenn festgestellt wird, dass neue rechtliche Grundlagen zu Fehlentwicklungen führen, muss man auch bereit sein, dies zu korrigieren. Wir weisen seit Jahren vergeblich auf dieses Problem hin. Wir haben den Deutschen Bauernverband bereits gebeten, uns bei diesem für die deutschen Schafhalter überlebenswichtigen Anliegen zu unterstützen.“
Hinzu kommen erschwerend die Belastungen durch die Rückkehr des Wolfes, das Fehlen einer Agrardieselsteuerrückerstattung für die Fahrzeuge, die die Schäfer für die Versorgung ihrer Herden brauchen (im Gegensatz zu den Bienenzüchtern) sowie die Ex- und Importbegrenzungen auf Grund der TSE/Scrapie-Vorschriften, so Lückhoff weiter.
Drastischer Rückgang
Im Jahr 2005 wurden noch 2,64 Mio. Schafe im Bundesgebiet gezählt. Im Jahr 2014 nur noch 1,6 Mio. Schafe. Dies ist ein Rückgang von 40 % innerhalb von zehn Jahren. Die Schafhaltung in Deutschland wurde bis 2004 über die „Mutterschafprämie“ gefördert. Schafhalter, die mehr als sieben Mutterschafe in ihrem Bestand gehalten haben, bekamen pro Mutterschaf maximal 28,00 Euro Prämie. Mit der Agrarreform wurde diese Förderung gestrichen und die Flächenprämie eingeführt. Dies führte in der Flächenbewirtschaftung dazu, dass viele der Flächen nicht mehr durch Schafe und Ziegen beweidet wurden und die Anzahl der zur Beweidung benötigten Schafe und Ziegen reduziert wurde. Viele Flächeneigentümer gingen dazu über, auf Wiesen und Weiden Heu zu gewinnen oder gar nur eine Mulchmahd durchzuführen, um in den Genuss der Flächenprämie zu kommen.
Kampf um‘s Grünland
Diese Art der Flächenpflege ist wesentlich einfacher als eine zeitaufwendige und arbeitsintensive Beweidung der Flächen mit Schafen und Ziegen. Die gewährte Flächenprämie deckt bei der maschinellen Bewirtschaftung die Kosten des Bewirtschafters, aber sie ist nicht kostendeckend bei der Beweidung der Flächen.
Mit Einführung der Flächenprämie entstand ein großer Kampf um „Grünlandflächen“. Schaf- und Ziegenhaltung findet seither überwiegend nur noch auf Naturschutzflächen, in Steillagegebieten oder auf Dämmen und Alpen statt. Diese Flächen sind überwiegend im Besitz von Bund, Kommunen oder dem Land. Der Bund trägt für diese Flächen europaweit eine besondere Verantwortung.
FFH-Flächen in Gefahr
FFH-Flächen müssen in ihrem artenreichen Zustand erhalten werden, sind streng geschützt und dürfen sich nach dem Naturschutzrecht nicht verschlechtern. Viele dieser FFH-Flächen sind nur durch die Beweidung mit Schafen und Ziegen entstanden und können auch nur durch die Beweidung mit Schafen und Ziegen in ihrem Zustand erhalten bleiben. Oftmals ist bei Nutzung der Agrarumweltprogramme ein Mindestanteil an Ziegen in den Schafherden zur Sicherstellung des Verbisses von unerwünschtem Baumbewuchs erforderlich.
Es ist bereits jetzt ersichtlich, dass Landschaftsschutzgebiete, Naturschutzgebiete, Dämme, Alpen und FFH-Flächen nicht mehr oder nicht mehr ausreichend gepflegt werden. Und dieser Trend wird in den nächsten Jahren sicherlich anhalten, sofern die Schäfer keine „aufwandsgerechte“ Entlohnung für ihre Leistungen erhalten. Wenn diese Aufgaben seitens des Bundes nicht mehr erfüllt werden könne, kann es zu einem Anlastungsverfahren durch die EU kommen.
Da der Nährstoffgehalt von FFH-Flächen im Vergleich zum Grünland sehr gering ist, müssen die Schafe und Ziegen mit teurem, zugekauften Futter versorgt werden, um ein fruchtbares Muttertier und ein marktgerechtes Lamm zu erzeugen. Auch dies hat die Situation der Betriebe mit Einführung der Flächenprämie verschlechtert.
Vorteile der Beweidung
Schafe sorgen ressourcenschonend, artgerecht und regional für hochwertige Lebensmittel. Sie nehmen eine wichtige Aufgabe in der Landschaftspflege wahr, die weder durch andere Tierarten noch durch Maschinen in der gleich guten Qualität erbracht werden können. Kleine Wiederkäuer garantieren mit ihrer speziellen Arbeitsweise Biodiversität in den unterschiedlichsten Landschaftstypen und sorgen für Erosionsschutz.
Die Weidetierhaltung ist die natürliche Form für die Haltung von Raufutter-verzehrenden Nutztieren. 2010 ließen 93 % der Schafhalter in Deutschland ihre Schafe weiden. Die beweidete Fläche betrug 431 000 ha, was rund 9 % des Dauergrünlands entsprach. Dies gilt als gesellschaftlich erwünscht. Gleichermaßen ist hervorzuheben, dass unsere heutige Kulturlandschaft im ländlichen Raum maßgeblich durch Beweidung geformt wurde und heute erhalten wird. Beweidetes Grünland dient nachhaltig der CO2-Senkung und damit dem Klimaschutz. Entfällt diese Art der Landschaftspflege, kann das das Aus für viele Pflanzenarten bedeuten. Und bei der Deichpflege sorgen die Schafe mit ihrem sogenannten goldenen Tritt für den Erhalt der Deiche und damit für die Sicherheit der Menschen hinter den Deichen und bieten oft Touristen einen attraktiven Anblick.
Schäfer vom Aussterben bedroht?
Nicht zuletzt bieten sie Schäfern Arbeitsplätze in einem traditionellen Beruf, der nachhaltige Produktion im ganzheitlichen Ansatz sicherstellt – aber für viele am Ende der landwirtschaftlichen Einkommensskala steht. Der Berufsstand unterliegt zudem stark der demografischen Entwicklung und aufgrund der fehlenden Perspektiven einem Mangel an Berufsnachwuchs. Sind die Schäfer in Deutschland bald auf einer Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Berufe zu finden?
Wir brauchen die Weidetierprämie!
In 22 EU-Mitgliedstaaten werden Weidetierprämien für die Schafhaltung gezahlt. Diese Prämien sind aus Sicht der Europäischen Kommission wesentlich für eine Stabilisierung der Schafhaltung auf EU-Ebene. Der Rückgang der Schafhaltung in Deutschland seit 2005 ist im Wesentlichen auf die Entkoppelung und das Fehlen einer gekoppelten Prämie zurückzuführen. Um diese Fehlentwicklung zu korrigieren und zumindest eine Stabilisierung der Schafzahlen in Deutschland zu erreichen, ist die Einführung einer Weidetierprämie für die Schafhaltung dringend, d. h. vor der nächsten GAP-Reform, erforderlich. Wir fordern Wettbewerbsgleichheit in Europa auch für deutsche Schafhalter!
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