Verbände-Plattform für grundlegende Reform
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Im Zentrum steht das Plädoyer für eine Abschaffung pauschaler Flächenprämien. Stattdessen sollten diese Mittel der Plattform zufolge ausschließlich für die Erbringung klar definierter gesellschaftlicher Leistungen eingesetzt werden. Die Palette reicht von einer besonders tiergerechten Haltung bis zu Biodiversitäts- und Klimaschutzmaßnahmen. Die Honorierung müsse dabei finanzielle Anreize für die Landwirte bieten. In welcher Förderstruktur dieser Ansatz umgesetzt werden sollte, wird offen gelassen. In der Übergangszeit bis zu einer Reform sei die Umschichtung von der Ersten in die Zweite Säule auf 15 % zu erhöhen. Hendricks würdigte das Positionspapier als einen weiteren Beitrag zu einer produktiven und konstruktiven Debatte zur Zukunft von Umwelt und Landwirtschaft. Das Umweltressort hat die Erarbeitung des Papiers indirekt unterstützt. Die Arbeit der Plattform wird vom nachgeordneten Bundesamt für Naturschutz (BfN) gefördert.
30 Prozent der Direktzahlungen umverteilen
Neben der Umschichtung von 15 % der Direktzahlungen für Tier-, Umwelt- und Naturschutzmaßnahmen in die Zweite Säule verlangt die Verbände-Plattform auch eine stärkere Umverteilung der Direktzahlungen auf die ersten Hektare. Aufgegriffen wird der bereits im Zuge der Diskussion um die Umsetzung der Reformbeschlüsse von 2013 von den Grünen eingebrachte Vorschlag, 30 % der Direktzahlungen auf die jeweils ersten 46 ha je Betrieb umzuverteilen. Damals war dies nicht zuletzt am entschiedenen Widerstand der neuen Länder gescheitert, deren Betriebe dadurch massive Verluste hätten hinnehmen müssen. Derzeit werden knapp 7 % der Basisprämie auf die ersten Hektare umverteilt. Als Übergangsmaßnahme bringt die Plattform zusätzlich eine besondere Zahlung für die Weidehaltung von Schafen und Ziegen ins Spiel. Dies würde bedeuten, dass Deutschland zumindest vorübergehend das Prinzip der vollständigen Entkopplung aufgeben würde.
Forderung nach Haltungskennzeichnung
Einen Kursschwenk verlangen die Verbände in der Marktpolitik. So müssten künftig Maßnahmen der Selbstregulierung von Erzeugergruppen oder Branchen zur Vermeidung von Marktkrisen zulässig sein. Gefordert werden weitere Instrumente, die Erzeuger zumindest in Krisenzeiten in die Lage versetzen, Überangebote zu vermeiden. Für akute Marktkrisen müsse der EU ein Instrumentarium zur Verfügung stehen, das von einem direkten Eingreifen bis zu befristeten mengengbegrenzenden Maßnahmen reiche, heißt es mit Blick auf den Milchmarkt. Staatliche Hilfszahlungen wie in der jüngsten Milchmarktkrise seien künftig an eine Begrenzung oder Reduzierung der Erzeugungsmenge zu binden. Agrarexporte aus der EU seien nur dann akzeptabel, wenn eine Beeinträchtigung lokaler Märkte vermieden werde. Zudem seien Dumpingeffekte durch Direktzahlungen, Sozial- und Umweltdumping sowie unterhalb der Produktionskosten liegende Erzeugerpreise auszuschließen. Gefordert wird zudem eine einfache, abgestufte und verpflichtende Kennzeichnung von tierischen Erzeugnissen aus unterschiedlichen Haltungsverfahren sowie des Umgangs mit den Tieren in den vor- und nachgelagerten Bereichen. Perspektivisch seien aussagekräftige Kennzeichnungen über den Herstellungsprozess auch für Getreide, Obst und Gemüse einzuführen.
Bagatell- und Toleranzgrenzen anheben
Hervorgehoben wird die Notwendigkeit einer Entbürokratisierung der GAP. Kontrollen und Sanktionen seien an der Erreichung inhaltlicher Ziele auszurichten und nicht an formalen Kriterien. Zu stärken seien die Verantwortlichkeiten und Entscheidungen vor Ort. Bagatell- und Toleranzgrenzen müssten angehoben werden. Eine gesonderte Unterstützung neben einer weiteren Besserstellung der ersten Hektare will die Plattform kleineren und mittleren Betrieben zukommen lassen. Auch die Bedingungen für Neueinsteiger will man verbessern. Erreicht werden soll dies jeweils über spezifische Beratungs- und Förderangebote.
Agrarförderung muss gut begründet werden
„Wir brauchen viele gute Ideen und Reformansätze, wenn wir begründen wollen, dass es auch in Zukunft noch europäische Agrarfördermittel in vergleichbarer Größenordnung geben soll“, sagte Hendricks bei der offiziellen Übergabe des Papiers. Benötigt werde ein Fördersystem, „das sich nicht an Hektarzahlen orientiert, sondern Landwirte für die Leistungen belohnt, die sie für das Gemeinwohl erbringen, zum Beispiel für den Umweltschutz“, so die SPD-Politikerin. Der Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR), Prof. Kai Niebert, warnte vor einem „Weiter so“ in der Agrarpolitik und begründete das mit „Düngemitteln und Pestiziden im Grundwasser“, einem anhaltenden Verlust der Artenvielfalt, einer „Vermaisung“ der Landschaft sowie mit „Massentierhaltung“. Die Bundesregierung sieht der DNR-Präsident aufgefordert, die bestehenden Handlungsspielräume für eine Ökologisierung der Agrarpolitik stärker zu nutzen und die künftige EU-Agrarpolitik konsequent an der Erbringung gesellschaftlicher Leistungen auszurichten. Der Vorsitzende des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, sprach sich dafür aus, das EU-Agrarbudget nach 2020 in seiner jetzigen Höhe beizubehalten und zielgerichtet dafür zu verwenden, aktive Landwirte für Umwelt- und Tierschutzleistungen zu entlohnen.
Abkehr von der „Gießkannen-Förderung“
Der BÖLW-Vorsitzende bezeichnete die derzeitige „Gießkannen-Förderung“ in der GAP als Grund dafür, dass es an Geld fehle, um Leistungen von Landwirten im Umwelt-, Gewässer-, Klima- und Tierschutz zu finanzieren. Auch Prinz Löwenstein tritt dafür ein, noch in der laufenden Förderperiode 15 % der Direktzahlungen in die Zweite Säule für den Umwelt-, Tier- und Klimaschutz umzuschichten. Deutschland und Europa müssten den Ökolandbau nutzen, um die Land- und Ernährungswirtschaft zu einem nachhaltigen Wirtschaftszweig umzubauen. Das werde die Agrarpolitik nach 2020 nur leisten können, „wenn ihr dafür ausreichende Mittel zur Verfügung stehen“. Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Martin Schulz, sieht eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe darin, die gestiegenen qualitativen Anforderungen des Umwelt- und Tierschutzes in größere Wertschöpfungsmöglichkeiten mit höheren Erzeugerpreisen für die bäuerlichen Betriebe zu überführen. Dazu müssten alle Instrumente genutzt werden, „also Förderpolitik, Marktordnung, Kennzeichnungs- und Fachrecht sowie eine faire Handelspolitik“. Laut Schulz müssen Bund und Länder auch die Möglichkeiten ausschöpfen, die das EU-Recht für eine stärkere Förderung der ersten Hektare heute schon biete. Der Leiter der Abteilung Politik von Brot für die Welt, Dr. Klaus Seitz, forderte ein Ende von Überschussexporten, „die Kleinbauern in armen Ländern von ihren lokalen Märkten verdrängen“.
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