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Beitragserhöhung Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft: Leider keine Hilfe zu erwarten

Um auf die aktuellen Probleme mit erheblichen Beitragssteigerungen zur Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft (LBG) aufmerksam zu machen, sandte die VDL gemeinsam mit BDZ, BLW und WDL im September 2011 nachfolgendes Schreiben an die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Dr. Ursula von der Leyen, und an die Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Ilse Aigner:
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Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für Arbeit und Soziales, und Ilse
Aigner,
Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für Arbeit und Soziales, und Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.Laurence Chaperon/Bundesregierung, www.bmas.de
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„Sehr geehrte Frau Bundesministerin, im Mai wurden die Beitragsbescheide der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Mittel- und Ostdeutschlands verschickt, in denen erstmals der Beitrag auf der Grundlage des Arbeitsbedarfes und des Unfallrisikos erhoben wurde. Der vollzogene Wechsel des Beitragssystems führte bei Schaf- und Ziegenhaltungsbetrieben sowie bei landwirtschaftlichen Gehegehaltungen zu erheblichen Beitragssteigerungen (z. T. wurden zwanzigfach höhere Zahlbeträge gegenüber dem Vorjahr bei gleicher wirtschaftlicher Grundlage erhoben). Bei der schwierigen Erlössituation in vielen Betrieben sind die nun beschiedenen Beitragshöhen der Berufsgenossenschaft als auch der landwirtschaftlichen Krankenkasse sowohl für Schaf-, Ziegen- und landwirtschaftliche Gehegehalter im Haupt- als auch im Nebenerwerb kaum noch zu leisten. Viele haben uns daraufhin signalisiert, dass unter diesen Bedingungen die Tierhaltung wirtschaftlich nicht mehr fortgeführt werden kann. Vor dem Hintergrund der beabsichtigten Schaffung eines einheitlichen Bundesträgers für landwirtschaftliche Sozialversicherungen möchten wir Ihnen unsere Argumente darlegen. Ehemals wurden die landwirtschaftlichen Betriebe nach der potentiellen Ertragsfähigkeit der bewirtschafteten Acker- bzw. Grünlandfläche (mit einem Abschlag für viehlose Betriebe) bzw. die Schafhalter nach dem gehaltenen Viehbestand veranlagt. Letzteres war notwendig, da Schafhalter zum einen oft „Fremdflächen“ nutzen und zum anderen als (politisch gewollte) extensive Wirtschafter in diesem Veranlagungssystem benachteiligt werden. Die nun erfolgte bzw. vorgesehene Umstellung des Veranlagungssystems führt zu einer Entsolidarisierung zwischen den Landwirten. Die Unfalllast wird dem Produktionsverfahren zugeordnet und soll durch Beiträge des entsprechenden Produktionsverfahrens aufgebracht werden. Die potentielle Leistungsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe spielt bei dieser Betrachtung – im Gegensatz zu anderen sozialen Sicherungssystemen – keine Rolle mehr. Es wird bei dem nun gewählten Ansatz auch nicht der reale Arbeitskraftbesatz und damit das wirkliche potentielle Unfallrisiko im Betrieb berücksichtigt. Das gewählte System führt am Ende zu einer höheren Belastung der Landwirte auf schlechteren Standorten, mit extensiver Wirtschaftsweise sowie von Landwirten mit einem hohen Innovationsgrad bzw. hoher Arbeitsproduktivität. Besonders deutlich wird dies beim Produktionsverfahren „Grünland“, wo z. B. in der LBG Mittel- und Ostdeutschland 1,108 Mio. ha in einem Produktionsverfahren zusammengefasst wurden. Somit werden Flächen, die in Naturschutz- bzw. Kulturlandschaftspflegeprogrammen in der Regel extensiv bewirtschaftet werden, gleich veranlagt wie Intensivgrünland. Als ein wesentlicher Grund dafür wurde genannt, dass die zur Verfügung stehenden mehrfach genutzten Daten (z. B. aus den Agraranträgen) keine weitere Differenzierung erlauben. Die Nutzung von vorhandenen Daten ist ein Gebot der Zeit, jedoch sollten diese dann auch in entsprechender Struktur vorliegen. Hier sei auch angemerkt, dass Schafund Ziegenhaltung in einem Produktionsverfahren veranlagt werden, obwohl es enorme arbeitswirtschaftliche Unterschiede in der Landschaftspflege (oft auch mit Ziegen) und der Milchgewinnung bzw. Milchgewinnung und -verarbeitung gibt. Durch das Primat der Produktionsverfahren werden Verfahren, bei denen eine Vielzahl Nebenerwerbslandwirte tätig sind, mit den nach Aussagen der LBG vergleichsweise höheren Unfallkosten dieser Berufskollegen belastet. Wenn es politischer Wille ist, Nebenerwerbslandwirte über die Berufsgenossenschaft zu versichern, so wäre eine Verteilung deren Kosten auf alle Benutzer aus unserer Sicht angeraten. Sonst kann es passieren, dass Haupterwerbsbetriebe sich solch ein Produktionsverfahren nicht mehr „leisten“ können. Zudem wäre, wenn eine Erfassung des Arbeitskräftebesatz der Betriebe nicht möglich ist, über die Einführung einer Größendegression nachzudenken. Damit könnte wenigstens eine genauere Abbildung der tatsächlichen Gegebenheit ermöglicht werden. Auch sind bei Pauschalierungen aktuelle Arbeitszeitbedarfszahlen sowie eine korrekte Zuordnung des Arbeitskraftbedarfes Voraussetzung für eine korrekte Veranlagung zu Grunde zu legen. Hier sehen wir im Gutachten von Prof. Dr. Bahrs für die LBG Mittel- und Ostdeutschland derzeit auch methodische Schwächen. Wie sich die Situation nun für uns und für viele Schafhalter Ostdeutschlands darstellt, haben wir am Beispiel eines Schafhalters in einem Artikel formuliert, den wir Ihnen hiermit zur Kenntnis geben. Wir haben diese Kritikpunkte dem Vorstand und der Geschäftsführung der LBG Ost- und Mitteldeutschlands vorgebracht, geben Sie Ihnen auch im Hinblick auf die Schaffung eines Bundesträgers zur Kenntnis und bitten Sie, diese bei eventuell vorgesehenen Gesetzesänderungen zu beachten.“

Auf dieses Schreiben erhielten die Verbände folgendes Antwortschreiben aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales:
„Sehr geehrte Herren, für Ihr Schreiben an Bundesministerin Dr. von der Leyen zur Frage der Beitragserhöhung in der Landwirtschaftlichen Unfallversicherung danke ich auch im Namen von Frau Ministerin. Sie hat mich gebeten, Ihnen zu antworten. Für Ihre Enttäuschung über die gestiegenen Versicherungsbeiträge habe ich großes Verständnis: Der Beitragsanstieg bei der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Mittel- und Ostdeutschland beruht auf verschiedenen Ursachen. Sie greifen in Ihrem Schreiben den veränderten Beitragsmaßstab auf, den Ihre Berufsgenossenschaft nunmehr zugrunde legt. Die Neugestaltung des Beitragsrechts entspricht grundsätzlich dem Willen des Gesetzgebers. Dem bisherigen Recht genügte es, wenn das Unfallrisiko bei der Beitragsberechnung ausreichend berücksichtigt wurde. Durch das Gesetz zur Modernisierung der landwirtschaftlichen Sozialversicherung aus dem Jahr 2007 wurden jedoch die Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften verpflichtet, ihr Beitragsrecht weiterzuentwickeln. Sie sind jetzt gehalten, das Unfallrisiko insbesondere durch Bildung von Risikogruppen zu berücksichtigen. Die Anforderung zur Berücksichtigung des Unfallrisikos ist somit verstärkt worden. Hierzu zählt auch die Beachtung der Tiergefahr, die darin besteht, dass Tiere Menschen verletzen oder etwa infizieren können. Allerdings hat der Gesetzgeber dieser Verstärkung zugleich eine Grenze gesetzt: Ein angemessener sozialer Ausgleich ist sicherzustellen. Der Risikogedanke soll damit zwar gegenüber dem bislang vorherrschenden Solidargedanken gestärkt werden, er soll diesen aber nicht verdrängen. Die Umsetzung dieses gesetzlichen Auftrags obliegt der Selbstverwaltung. Ihr verbleiben damit Freiheiten. Die eine Berufsgenossenschaft lässt dem Solidargedanken mehr Raum als die andere. Die Selbstverwaltung Ihrer Berufsgenossenschaft hat sich für eine sehr starke Betonung des Risikogedankens entschieden und dies entsprechend mit Genehmigung des aufsichtführenden Bundesversicherungsamts in ihrer Satzung verankert. Zwingend ist diese Entscheidung nicht, aber es steht mir nicht zu, sie zu beanstanden. Das Ministerium hat auch nicht Befugnis, dem Bundesversicherungsamt als der zuständigen Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde Weisungen zu erteilen. Die Festlegung eines konkreten Beitragsmaßstabes wird auch im Falle der Schaffung eines einheitlichen Bundesträgers allein der Satzungsautonomie der Selbstverwaltung sowie der Genehmigung durch die zuständige Aufsichtsbehörde unterliegen. Ich bedauere, Ihnen daher an dieser Stelle nicht weiterhelfen zu können. Mit freundlichen Grüßen Dr. Annette Niederfranke Staatssekretärin“

Ein ähnliches Schreiben ging aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium ein:
„Sehr geehrte Herren, vielen Dank für Ihr Schreiben, in dem es Ihnen um den Beitragsmaßstab der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Mittel- und Ostdeutschland (LBG MOD) geht. Berechnungsgrundlage für die Beiträge in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung sind den gesetzlichen Vorgaben das Umlagesoll, die Fläche, der Wirtschaftswert, der Flächenwert, der Arbeitsbedarf, der Arbeitswert oder ein vergleichbarer Maßstab. Der Beitrag wird also grundsätzlich in Abhängigkeit von der Größe des landwirtschaftlichen Unternehmens bzw. des Umfangs der Bewirtschaftung bemessen. Die konkreten Vorgaben für die Beitragsbemessung werden von der Selbstverwaltung der einzelnen LBG festgelegt. Durch das Gesetz zur Modernisierung des Rechts der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSVMG) vom 18. Dezember 2007 sind die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften verpflichtet worden, den strukturellen Änderungen bei den landwirtschaftlichen Betrieben und deren Auswirkungen auf das Unfallgeschehen durch eine Weiterentwicklung ihrer Beitragsberechnungsgrundlagen Rechnung zu tragen. Dabei soll das Unfallrisiko insbesondere durch die Bildung von Risikogruppen berücksichtigt werden; ein angemessener solidarischer Ausgleich ist sicherzustellen. Dieser Verpflichtung entsprechend wendet die LBG MOD seit dem Jahr 2011 einen neuen Beitragsmaßstab an. Die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften als Träger der gesetzlichen Sozialversicherung sind Körperschaften des öffentlichen Rechts mit dem Recht der Selbstverwaltung. Sie erfüllen damit öffentliche Aufgaben im Wege der mittelbaren Staatsverwaltung in eigener Verantwortung. Hierfür bilden die Sozialgesetzgebung und die autonome Rechtsetzung der Sozialversicherungsträger die rechtlichen Grundlagen. Die Festlegung des neuen Beitragsmaßstabes erfolgte auf der Basis eines wissenschaftlichen Gutachtens im Rahmen dieser Selbstverwaltung durch entsprechende Satzungsregelungen. Die ordnungsgemäße, Recht und Gesetz entsprechende Erledigung der Aufgaben der Sozialversicherungsträger wird durch die staatliche Aufsicht überwacht. Die Satzungsregelungen zur Änderung der Berechungsgrundlagen für die Beiträge bedurften daher der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde. Diese Genehmigung wurde durch das zuständige Bundesversicherungsamt am 8. April erteilt. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz kann hingegen weder auf die Satzungsregelung noch auf die Entscheidungen zur Beitragshöhe im Einzelfall Einfluss nehmen, da die LBG MOD weder Aufsicht noch seinen Weisungen untersteht. Im Falle der Schaffung eines Bundesträgers entstünde eine völlig neue Solidargemeinschaft. Die Selbstverwaltung dieser neuen LBG müsste für die Solidargemeinschaft auf der Basis eines wissenschaftlichen Gutachtens einen neuen Beitragsmaßstab konzipieren. Damit muss letztlich die Selbstverwaltung auch für den Bundesträger Festlegungen zu den einzelnen Elementen eines Beitragsmaßstabs (Risikogruppen, Degressionsfaktoren, Grund- und Mindestbeiträge etc.) treffen. Eine von Ihnen gewünschte Einflussnahme auf die autonomen Entscheidungen der Selbstverwaltungsgremien kann ich Ihnen daher nicht in Aussicht stellen. Mit freundlichen Grüßen Ilse Aigner“

Bewertung: Aus Sicht der Verbände sind die beiden Antwortschreiben nicht als sonderlich aufbauend einzustufen, sondern signalisieren vielmehr Verständnis für die vorgenommene Änderung; wieder ein Zeichen dafür, dass die kleinen Wiederkäuer der Politik nicht wirklich am Herzen zu liegen scheinen.
VDL
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