Hessen: Willkommen Wolf!?
Der Schafhalterverein Vogelsberg hatte Ende September zu
einem interessanten Abend eingeladen – und viele sind gekommen,
denn das Thema ist brisant: Willkommen Wolf!?
- Veröffentlicht am
Neben den örtlichen Schafhaltern
hat sich der Vorsitzende
des Odenwälder Schäfervereines,
Harald Brandel, es sich
nicht nehmen lassen, die weite
Strecke auf sich zu nehmen
und aus Südhessen anzureisen.
Ebenso war die Vorsitzende der
hessischen Milchschafzüchter,
Patricia Heilbronn, und Vertreter
der Kreisvereine Lahn-Dill
und Taunus zugegen. Mehr als
80 Personen wollten sich zu
dem Thema „Wolf in Hessen“
informieren. Unter ihnen auch
einige Vertreter des regionalen
NABU-Vereines. Deren Vorsitzender,
Karl-Heinz Zobich, ist
ebenfalls Schafhalter und war
als Redner in den Abend eingebunden.
Ebenso war Dieter
Hübner, Schafhalter aus Gelnhausen
und Rechtsanwalt, als
Redner der „Gegenseite“ vorgesehen.
„Willkommen Wolf!?“ als
Fest- bzw. Fragestellung wird
Hessen immer mehr beschäftigen,
denn das Raubtier wurde
im nördlichen Landesteil (als
„Reinhard“ vom Reinhardswald,
siehe Schafzucht 13/08)
schon ausgemacht.
Der umtriebige Schafhalterverein
Vogelsberg mit ihrem
Vorsitzenden Wolfgang Pschierer
hatte einen hochkarätigen
Kenner der Materie eingeladen:
Markus Bathen ist nicht
nur Mitglied im NABU-Bundesverband,
sondern wissenschaftlicher
Betreuer des Wolfprojektes
in der Lausitz. So konnte er
auf recht interessante Daten
verweisen. Eingefangene Wölfe
wurden mit Sendern ausgestattet,
so dass deren Wanderwege
festgestellt wurden, was wiederum
Rückschlüsse auf das Verhalten
des Wolfes zulässt. Interessant
war hierbei, dass die
Wanderwege teilweise mitten
durch bewohnte Ortschaften
geführt haben. Über Untersuchungen
der Losungen konnten
DNA-Spuren gesichert werden,
was verwandtschaftliche Zusammenhänge
unter den Wölfen
erkennen ließ. Auch sind
über die Losungen das Beutespektrum
der Wölfe nachvollzogen
worden: ca. 66% Rehwild,
36% Schwarzwild 8%
Hasen und 6% Kleintiere.
Begonnen hatte Markus Bathen
seinen Vortrag mit der Geschichte
des Wolfes und somit
der Entwicklung des Haushundes,
denn dieser stammt vom
Wolf ab. Das mache es auch
dem Laien schwer, Fährten des
Wolfes vom Schäferhund zu
unterscheiden.
Eindeutig geregelt ist der
Schadensausgleich in Sachsen.
Nachdem die Wölfe sich dort
angesiedelt haben, wurde beim
Umweltministerium des Landes eine Abteilung mit der Regulierung
der Schäden beauftrag.
Sie soll in Verbindung mit
NABU und anderen Organisationen
auch für die Prävention
sorgen.
In Sachsen werden daher besondere
Schutzmaßnahmen im
Zusammenhang mit dem Auftauchen
des Wolfes mit 60%
des Materialwertes bezuschußt
(„besondere Schutzmaßnahmen“,
das heißt höhere Netze
bzw. zusätzliche stromführende
Litze über den Netzen, zusätzliche
Anbringung von Flatterbändern
etc.). Weiterhin
wird der Einsatz von Esel oder
Lamas diskutiert, da diese große
Beutegreifer abwehren sollen.
Esel eigenen sich hierfür
auf Grund ihres angeborenen
Abwehrverhaltens gegen Hundeartige.
In aller Munde ist der Einsatz
von Herdenschutzhunden, wobei
die rechtliche Seite noch
nicht ganz geklärt ist, denn
auch andere „Eindringlinge“
könnten zu Schaden kommen.
Auch das Verhalten unbeteiligter
(Menschen wandern durch
eine grasende Schafherde,
Radler etc.) ist gerade beim
Einsatz bestimmter Herdenschutzhundes
im freien Gehüt
zu diskutieren.
Äußerungen der Schäfer,
dass ja keiner den Wolf hier
haben will und man getrost auf
ihn verzichten kann, wurde
entgegnet, dass seitens der
Menschen der Wolf nicht ausgesetzt
oder neu angesiedelt
wird. Der Wolf verbreite sich
selbst. Er sei jedoch durch verschiedene
gesetzliche Grundlagen
geschützt. Und diese Gesetze
dokumentieren den Willen
der legislativen Organe und
somit der Mehrheit der Menschen,
dass der Wolf gewünscht
wird. Zur Zeit halten sich etwa
40 Wölfe in der Lausitz auf, einem
Gebiet von ca. 1600 km²,
welches im Kern kaum bewohnt
ist. Vom Bundesumweltministerium
wurde eine Karte
als eine Art Zukunftsprognose
über die Möglichkeit des Lebensraumes
für den Wolf entworfen.
Danach sind der Vogelsberg
und viele andere Gebiete
potentielle Wolfhabitate
(= Lebensräume).
Rechtsanwalt und Kreisjagdberater
Dieter Hübner ist nicht
nur ehemaliger Schafhalter
und Jäger, sondern hat auch
Erfahrungen in der Haltung
von Herdenschutzhunden. Als
ausgewiesener Gegner der Ansiedlung
des Wolfes stellte er
seine Position klar und sprach
somit den anwesenden Schafhaltern
recht oft aus dem Herzen.
Seine Ausführungen zeigten
auf, dass es durchaus auch
Argumente gibt, „den Wolf
nicht lieben zu müssen!“ Auch
ging er auf den wohl wachsenden
Widerstand der Bevölkerung
gegen die Wolfshege ein.
Vorhandene „Übergriffe“ des
Wolfes in diesem Jahr werden
offensichtlich gerne unterschlagen,
was wohl auch auf die
wachsende Population der
Wölfe zurück zuführen ist. Insbesondere
die Problematik der
Herdenschutzhunde (siehe
oben) wurde eingehend thematisiert.
Es ist nicht einfach
damit getan, von irgendwoher
einen Hund „zu besorgen“.
Hund- und rassespezifische Eigenheiten
sind zu beachten, da
es sonst zu einem Desaster für
alle Beteiligten kommen kann.
Karl-Heinz Zobisch als örtlicher
NABU-Vertreter gab eindeutig
zu verstehen, dass sein
Verband hinter den Schafhaltern
stehe. Er forderte eine unmißverständliche
Entschädigungsregelung
und sachgerechte
Maßnahmen zur Schadensverhütung.
Von daher sei
das Ministerium gefordert.
Peter E. Heinze
Peter E. Heinze
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