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Nordrhein-Westfalen

Neue Wolfs-Verordnung: Weidetierhalter enttäuscht

Das Landeskabinett NRW hat am 22. März 2022 eine neue Wolfsverordnung für Nordrhein-Westfalen erlassen. Sie soll ein einheitliches Verwaltungshandeln im Umgang mit dem Wolf ermöglichen und Entscheidungen der Naturschutzbehörden erleichtern. Die Erwartungen vieler Weidehalter an Vereinfachungen beim Umgang mit problematischen Wölfen dürften sich jedoch nach Einschätzung des Rheinischen Landwirtschafts-Verbandes mit der neuen Wolfsverordnung nicht erfüllen.

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Alfred Hofer/Colourbox.de
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Vorausgegangen war eine Verbändeanhörung, bei der über 25 Stellungnahmen aus Naturschutz, Jagd und Landwirtschaft ausgewertet und eingearbeitet wurden.

Der Schafzuchtverband NRW hatte eine umfassende Stellungnahme eingereicht, die vor allem für §5 deutlich konkretere Formulierungen auf Basis des §45 und §45a des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) forderte.

Diese Aspekte wurden jedoch in der gültigen Endfassung nicht berücksichtigt, sodass die Wolfs-Verordnung laut Schafzuchtverband NRW für die Tierhaltung nur wenig konkrete Inhalte bereitstellt.

Weiterhin sei eine Entnahme aufgrund wirtschaftlichen Schadens nur im Einzelfall möglich. Die Chance, in der Verordnung zumindest eine Handlungskaskade einheitlich und transparent umzusetzen, sei nicht genutzt worden.

"Wir hatten uns eine engere Anlehnung an das BNatSchG und die Niedersächsische Wolfsverordnung gewünscht", betonte Fides Marie Lenz, Geschäftsführerin und Zuchtleiterin des Verbandes.

Verordnung soll Problemfälle übergreifend klären

Laut Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalens (MULNV) sollen durch Vereinfachungen und Präzisierungen bestimmte Problemfälle künftig durch die Verordnung selbst geklärt werden. Die für den Naturschutz zuständigen Kreise und kreisfreien Städte brauchen dann nicht in jedem Einzelfall neu zu entscheiden.

Freistellungen von artenschutzrechtlichen Verboten werden vorgenommen bei:

  • Maßnahmen zur "Vergrämung", zum Schutz der menschlichen Gesundheit und zum Schutz von Weidetieren,
  • einer Besenderung von Wölfen zu wissenschaftlichen Zwecken,  
  • einer erforderlichen Tötung verletzter Tiere.

Entlastung der unteren Naturschutzbehörden

Über das Vorliegen einer Gefahr für menschliche Gesundheit oder drohende Schäden für die Weidetierhaltung entscheidet künftig das MULNV als oberste Naturschutzbehörde. So werden die unteren Naturschutzbehörden entlastet.

Die neue Regelung orientiert sich an bereits bestehenden Verordnungen der Länder Brandenburg, Sachsen und Niedersachsen. Wichtig war, dass sie die bestehenden gesetzlichen Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes und der im Hintergrund stehenden Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie der Europäischen Union erfüllt.

Übergeordnetes Ziel ist und bleibt es nach der Rückkehr des Wolfs in seine ursprünglichen Verbreitungsgebiete, die Erfordernisse des Naturschutzes und des Herdenschutzes in Einklang zu bringen, und das Leben mit dem Wolf so konfliktfrei wie möglich zu gestalten.

Seit 2017 Ausgleich durch Fördermaßnahmen

Wichtigstes Mittel zum Interessenausgleich bleiben die Fördermaßnahmen zur Unterstützung der Weidetierhalter. Seit 2017 fördert Nordrhein-Westfalen durch seine "Förderrichtlinien Wolf" wolfsabweisende Herdenschutzmaßnahmen auf mittlerweile auf rund einem Drittel der Landesfläche.

In den zurückliegenden beiden Jahren konnten jeweils rund 1,5 Mio. Euro abgerufen werden, für 2022 sind rund 2 Mio. Euro aus dem Naturschutzetat vorgesehen. Der Bestand in NRW umfasst zurzeit einen ortstreuen Wolf in der Senne, ein Rudel am Niederrhein sowie je ein Rudel an den Landesgrenzen zu Rheinland-Pfalz und Belgien. 

"Auch mit der neuen Wolfsverordnung bleibt der konsequente Weidetierschutz auf möglichst großer Fläche die wichtigste Maßnahme um die Weidetierhaltung nach der Rückkehr des Wolfs zukunftsfähig aufzustellen. Die Entnahme, das heißt der Abschuss eines gegenüber Menschen auffälligen oder eines für die Weidetierhaltung problematischen Wolfs bleibt der letzte Lösungsweg", so Ministerin Heinen-Esser.

Antragstellung seit Anfang 2022 bei Landwirtschaftskammer NRW

Um Verwaltungsabläufe bei der Antragstellung zu vereinfachen und Zeitabläufe zu straffen, hatte das Land die Förderung bereits zu Jahresbeginn 2022 ganz auf die Landwirtschaftskammer übertragen. Zudem werden ab 2022 im Wolfsgebiet Schermbeck auf einer Fläche von rund 200 km² auch die Haltungen von Kleinpferden (Ponys), Fohlen und Jungpferden gefördert. Darüber hinaus ist geplant, die ehrenamtlich tätigen Luchs- und Wolfsberater des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) durch drei feste Stellen zu unterstützen.

Weidetierhalter enttäuscht

Die Erwartungen vieler Weidehalter an Vereinfachungen beim Umgang mit problematischen Wölfen dürften sich mit der neuen Wolfsverordnung NRW nicht erfüllen, so die Einschätzung des Rheinischen Landwirtschafts-Verbandes (RLV) in Bonn. Wie ein Vergleich mit anderen Wolfsverordnungen zeige, fehlen in der NRW-Verordnung für den zentralen Konfliktbereich Wolf/Weidetierhaltung konkrete Regelungen zur Entnahme auffälliger Wölfe, etwa nach zweimaligem Überwinden von Herdenschutzmaßnahmen oder zur Sicherung der Schafhaltung auf Hochwasser-Schutzdeichen.

Weiterhin Einzelfallentscheidungen bei Entnahmen

Entsprechende Vorschläge des RLV im Rahmen der vorangegangenen Verbändeanhörung wurden nicht aufgegriffen. Es müsse weiterhin in jedem Einzelfall über eine Entnahme von problematischen Wölfen entschieden werden. Mehr noch: Anders als im Entwurf wurde die Verordnung um zusätzliche bürokratische Hürden erweitert. So soll selbst ein reines Vergrämen von Wölfen mit unerwünschtem Verhalten gegenüber Menschen oder Weidetieren erst bei Vorliegen einer Vorab-Dokumentation durch das zuständige Landesamt zulässig sein.

„Wir hätten uns deutlich mutigere Schritte gewünscht“, so Bernhard Conzen, Präsident des Rheinischen Landwirtschafts-Verbandes. Die zögerliche Haltung der Landesregierung überrasche umso mehr, als auch Verordnungen anderer Bundesländer und EU-Staaten Entnahmeregelungen vergleichbar der Wolfsverordnung aus Niedersachsen vorsähen.

Enttäuscht zeigt sich auch Peter Lautz, Pferdehalter aus Bergisch Gladbach und Vorsitzender des RLV-Fachausschusses „Pferdehaltung“: „Nach den schlimmen Vorfällen im Wolfsgebiet Schermbeck und mehreren toten Ponys, die Opfer von Wolfsangriffen wurden, frage ich mich, unter welchen Bedingungen in NRW eine Entnahme auffälliger Wölfe überhaupt möglich sein soll“. Die nun beschlossene Verordnung biete hier kaum eine praktische Lösung. „Statt bürokratischer Einzelfallprüfungen brauchen wir endlich eine klare Begrenzung der dynamischen Populationsentwicklung in NRW“, mahnt Lautz.

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