Fermentierte Wolle ist des Rätsels Lösung
Warum leuchten die Farben des ältesten geknüpften Teppichs der Welt nach fast zweieinhalb Tausend Jahren noch äußerst brillant in rot, gelb und blau? Dieses Geheimnis des so genannten Pazyryk-Teppichs konnten Forscher der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) nun durch hochauflösende Röntgenfluoreszenzmikroskopie entschlüsseln.
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Der Pazyryk-Teppich gilt als der älteste bekannte Teppich der Welt in Knüpftechnik und ist im Eremitage-Museum im russischen St. Petersburg zu sehen. Der Teppich, der um 400 vor Christus aus Schurwolle hergestellt wurde, ist eines der spannendsten Beispiele eisenzeitlicher zentralasiatischer Handwerkskunst.
Russische Archäologen entdeckten ihn 1947 in einem Kurgan-Grab im Altai-Gebirge. Seitdem rätseln Experten über die leuchtenden Farben des Teppichs, der fast zweieinhalb Jahrtausende vergraben war.
Rote Fasern unterm Mikroskop
Diesem Geheimnis sind nun Prof. Dr. Karl Meßlinger vom Institut für Physiologie und Pathophysiologie und die Röntgenmikroskopie-Experten Dr. Andreas Späth und Prof. Dr. Rainer Fink vom Lehrstuhl für Physikalische Chemie II der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) auf die Spur gekommen.
Die Wissenschaftler nutzten dafür ein Röntgenmikroskop, das eine ausreichende räumliche Auflösung, kombiniert mit einer hohen Empfindlichkeit für charakteristische chemische Elemente besitzt.
Die Studie konzentrierte sich hauptsächlich auf rote Wollfasern, da das Pigment Türkischrot in Zentralasien und im Nahen Osten seit Jahrhunderten nahezu ausschließlich verwendet wird, um einen charakteristischen roten Farbton zu erzielen. Türkischrot ist ein metallorganischer Komplex aus Aluminium und aus Alizarin, das aus den Wurzeln des Färberkrapps, einer traditionellen Färbepflanze, gewonnen wird.
Fermentierte Wolle bleicht nicht aus
„Die Bildgebung zeigte eine charakteristische Verteilung des Aluminiums entlang des Querschnitts von fermentierten Wollfasern“, erklärt Dr. Andreas Späth. „Das gleiche Muster haben wir in Fasern aus dem Pazyryk-Teppich gefunden.“ Dies ist der mit Abstand früheste Nachweis der Fermentationstechnik und gibt Einblicke in die bereits hoch entwickelten Techniken der eisenzeitlichen Textilhandwerker.
Diese spezielle Färbetechnik, die auf einer vorherigen Fermentierung der Wolle beruht, erhöht die Durchdringung der Färbepigmente zum Zentrum der Wollfasern, was zu deutlich brillanteren und beständigeren Farben führt.
„Das traditionelle anatolische Textilhandwerk kennt jedoch eine kostengünstigere Technik, die aber trotzdem zuverlässig ist“, weiß Meßlinger. „Sie setzen die gefärbte Wolle mehrere Wochen lang auf einer Weide direkter Sonneneinstrahlung aus, stellen sie in einer Scheune den Tieren als Bodenbedeckung zur Verfügung und waschen sie abschließend in einem fließenden Gewässer aus. Nur fermentierte Wolle zeigt dabei kein nennenswertes Ausbleichen.“
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