MuD-Projekt Herdenschutz gestartet
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Es ist mit der weiteren Verbreitung der Wölfe und der Etablierung einer sesshaften Population des Wolfes in Gesamtdeutschland zu rechnen. Übergriffe auf Nutztiere durch den Wolf treten vor allem in der extensiven Weidehaltung und in der "Hobby-Haltung" auf. Kleine Wiederkäuer wie Schafe und Ziegen sind dabei besonders gefährdet, zunehmend erfolgen aber auch Übergriffe auf andere Weidetiere, wie z.B. Rinder, Pferde oder auch Gatterwild.
Kenntnisse vermitteln
Kenntnisse über den professionellen Einsatz z.B. eines wolfsabweisenden Elektrozauns oder anderer Präventionsmaßnahmen zum Schutz vor großen Beutegreifern sind bei Tierhaltern in bislang "wolfsfreien Gebieten" nicht erforderlich gewesen und daher nicht vorhanden. Hier setzt das Modell- und Demonstrationsvorhaben (MuD) Tierschutz-Vorhaben "Herdenschutz in der Weidehaltung" an.
Das übergeordnete Ziel des Vorhabens ist die Verbesserung des Herdenschutzes in der Weidehaltung und damit die Vermeidung von Wolfsübergriffen auf landwirtschaftliche Nutztiere.
Bundesweiter Wissenstransfer
Das Wissen und die Erfahrungen, die zum Thema Herdenschutz bereits vorliegen, werden für Tierhalter in den sogenannten "Wolfserwartungsländern" aufbereitet und praxisgerecht zur Verfügung gestellt. Das übergeordnete Projektziel soll durch einen effektiven bundesweiten Wissenstransfer erreicht werden. Erkenntnisse sowie aktuelle Praxiserfahrungen zum effektiven Herdenschutz werden berücksichtigt, für die Zielgruppe der landwirtschaftlichen Weidetierhalter aufbereitet und in ansprechender Form zur Verfügung gestellt.
Im Rahmen des Vorhabens werden Erkenntnisse aus Bundesländern, in denen der Wolf bereits etabliert ist, auf die Wolfserwartungsländer übertragen. Ein besonderer Schwerpunkt besteht in dem Angebot, dass Landwirte von ihren Berufskollegen lernen können. Es wird ein bundesländerübergreifendes Netzwerk von Modellbetrieben zum Thema "Herdenschutz in der Weidehaltung" eingerichtet, welches interessierten Weidetierhaltern Best-Practice-Beispiele für verschiedene landschaftliche und betriebliche Situationen bietet.
Im Rahmen des Vorhabens werden folgende weitere Angebote für Weidetierhalterinnen und -halter erarbeitet: Trainings, Workshops, Exkursionen, Vernetzungstagungen, Informationsmaterialien, Lehrvideos. An diesen Informationsveranstaltungen sind alle Weidetierhalter eingeladen teilzunehmen. Infos dazu werden in der Schafzucht veröffentlicht.
Interview mit Bernd Blümlein
Das Projekt mit einer Laufzeit von drei Jahren wird durch den Deutschen Verband für Landschaftspflege e.V. (DVL) durchgeführt. Zum Projektstart wurde Bernd Blümlein, Stellvertretender DVL-Geschäftsführer zu dem Vorhaben befragt.
Herr Blümlein, warum ist das Projekt "Herdenschutz in der Weidehaltung" aus Ihrer Sicht so wichtig?
Herdenschutz bezieht sich insbesondere auf den Schutz von Weidetieren vor Wölfen. Dieses Thema ist sehr emotional besetzt und konfliktträchtig. Gleichzeitig sind Weidetierhalter in vielen Regionen in Deutschland noch nicht vorbereitet auf den Umgang mit diesem Beutegreifer. In bislang "wolfsfreien" Gebieten sind Kenntnisse über den professionellen Einsatz von Präventionsmaßnahmen, z.B. eines Elektrozauns zum Schutz vor großen Beutegreifern, bei Tierhalterinnen und Tierhaltern nicht unbedingt erforderlich gewesen und daher nur wenig verbreitet. Gleichzeitig erleben wir aber eine sehr dynamische Ausbreitung des Wolfs in Deutschland, so dass mittlerweile fast überall mit Übergriffen auf Weidetiere gerechnet werden muss.
Es ist daher dringend erforderlich, die jetzt potenziell betroffenen Halterinnen und Haltern von Weidetieren über erfolgversprechende Strategien zur Schadensprävention zu informieren und den Erfahrungsaustausch zu begleiten. Dies trägt dazu bei, tragfähige Lösungsstrategien vor Ort zu entwickeln.
Wie werden Sie das Thema "Wolf und Herdenschutz" im Rahmen des Projektes anpacken?
Insbesondere für die Weidehaltung als besonders naturverträgliche Form der Landnutzung bedeutet die Wiederetablierung des Wolfs eine besondere Herausforderung. Dies insbesondere auch aufgrund der schon jetzt oftmals schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für derartige Betriebe.
Im Rahmen unseres Projekts sollen daher mit Hilfe von Demonstrationsbetrieben und in Kooperation und ergänzend zu den amtlichen Beratungsinstitutionen Lösungsansätze an Weidetierhalter*innen von Landwirt*in zu Landwirt*in vermittelt werden. Wir fördern u.a. den Austausch bisher unerfahrener Weidetierhalter aus weitgehend wolfsfreien Gebieten mit erfahreneren Berufskollegen, um hier im Rahmen kollegialer Beratung den emotionalen Druck zu vermindern und Handlungsfähigkeit herzustellen. Dafür werden wir auch Informationsmaterial und Anleitungen öffentlich zur Verfügung stellen.Wir hoffen damit einen sachorientierten Lösungsbeitrag erbringen zu können.
Welchen Nutzen bringt das Projekt für Weidetierhalter und was dürfen sie davon erwarten?
Die Anwesenheit von Wölfen wird die Weidehaltung in vielen Regionen in den kommenden Jahren massiv beeinflussen und die Tierhalterinnen und Tierhaltern zu Anpassungsmaßnahmen des bisherigen Weidemanagements und bei der tierwohlgerechten Haltung zwingen. Bei manchem Betriebsinhaber stellen sich hierbei existenzielle Fragen.
Für diese Betriebe ist angesichts des Auftretens des Wolfes daher eine (Präventions-)Beratung von zentraler Bedeutung für die Schadensbegrenzung und für das Aufzeigen wirtschaftlich tragbarer Lösungsansätze.
Wir sind der Überzeugung, dass Landwirte am besten von ihren Berufskolleginnen und -kollegen lernen können. Die Demonstrationsbetriebe und das Wissen der Betriebsleitenden zum praktischen Herdenschutz sind daher die zentralen Säulen bei der Durchführung von Qualifizierungsmaßnahmen für andere Weidetierhalterinnen und -haltern. Dadurch hoffen wir auch, die Unsicherheit und den emotionalen Stress, den die Erwartung von Wölfen bei Weidetierhaltern auslösen kann, zu mindern und sie in die Lage versetzen zu können, wirkungsvolle Präventionsmaßnahmen umzusetzen.