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Offener Brief

60 % geschützte Schafe sind keine ­ausreichende Prävention

Den folgenden Offenen Brief hat Udo Engel, Vorsitzender des Beratungsrings für Schafhalter e. V. am Lehr- und Versuchszentrum Futterkamp in Blekendorf, an Staatssekretärin Dr. Dorit Kuhnt vom Umweltministerium Schleswig-Holstein geschrieben. Anlass war eine Pressemitteilung vom 11. Juli 2019, in der das Umweltministerium mitteilte, dass es mit der Finanzierung wolfsabweisender Herdenschutzzäune mit einem angepasstem Verfahren startet.

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Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Kuhnt,  
ich beziehe mich auf Ihre Pressemitteilung vom 11. Juli 2019, die für die Tierhalter in den wesentlichen Inhalten zu unpräzise formuliert war. Zunächst: Da Zäune ersetzt und unterhalten werden müssen, stellt sich die Frage, ob es sich um eine einmalige oder eine jährliche Unterstützung handeln wird? Ist der Betrag flächen- oder tierbezogen? Mit Sorge um unseren Berufsstand und die Deichschafhaltung im Speziellen wende ich mich heute an Sie und versuche einige Facetten der Schafhaltung für Sie aufzuarbeiten: Schleswig-Holstein ist mit insgesamt 200 000 Schafen eines der schafreichsten Bundesländer. 

Im Durchschnitt werden in Schleswig-Holstein acht bis zehn Schafe je Hektar auf den Sommerweiden gehalten. Die Zaunkosten betragen für fünf- bis sechsreihige Litzenzäune oder Netze aufgrund unserer kleinteiligen Flächenstruktur 1 000 Euro je ha – ohne Arbeitslöhne. Bei einer Betriebsgröße von 120 ha in einer Haupterwerbsschäferei kommen reine Zaunmaterialkosten in Höhe von 120 000 Euro auf die Betriebe zu. Mit dem von Ihnen genannten Fördervolumen von 1,7 Mio. Euro können für eine Haupterwerbsschäferei nur 25 % bis 35 % dieser Kosten abgedeckt werden. Damit gehen 84 000 Euro zu Lasten der Betriebe. Das ist beim besten Willen betriebswirtschaftlich nicht darstellbar. 

Da Schafhalter i.d.R. keine Vermögenswerte und sehr wenig Eigenland besitzen, werden sie im Banken-Rating als wenig kreditwürdig eingestuft. Kredite werden nur gewährt, wenn eine betriebswirtschaftlich positive Weiterentwicklung mit der Investition verbunden ist (z.B. Stallbau mit Aufstockung der Herde). Ein weiteres Problem in der Praxis sind Pachtflächen mit jährlicher Kündigungsfrist. Von den 330 000 ha Grünland in Schleswig-Holstein sind etwa die Hälfte der Flächen für die Sommerweide. Davon entfallen auf die Schafe lediglich 12 % mit rund 20 000 ha, die verbleibenden 145 000 ha Weiden (88 %) werden von Pferden und Rindern genutzt.

Für die Winterweiden der Schafhalter stehen rund 150 000 bis 180 000 ha zur Verfügung, deren wolfsabweisende Zäunung hinsichtlich Machbarkeit (das Tageslicht bestimmt die Arbeitszeit im Winter) und Bezahlbarkeit vollkommen ausgeblendet wird. Für die betriebswirtschaftlich eng kalkulierenden Schäfereien stehen damit vier Monate nahezu kostenfreies Futter vor dem Aus. 

Ihr Haus hat bereits im Vorfeld signalisiert, dass die Stallhaltung als Form des Herdenschutzes nicht kofinanziert werden wird. Für die Schäfereien wären für diesen Zeitraum Mehrausgaben in Höhe von mindestens 60,00 bis 70,00 Euro je Schaf notwendig. Bei 1 000 Schafen handelt es sich um einen Betrag von 60 000  bis 70 000 Euro, der für die Wintermonate November bis Februar durch eine Haupterwerbsschäferei alleine aufgebracht werden müsste. Zur Einordnung dieses Betrags: Mit 1000 Schafen kann ein vergleichbares Jahresnettoeinkommen von 35 000 bis 40 000 Euro erwirtschaftet werden und das bei bereits jetzt mehr als 3 500 Betriebsleiterstunden pro Jahr. 

Die Art und Weise, wie uns Herdenschutz „verkauft“ wird, ist enttäuschend. Zuerst die Mitteilung, dass es keine Präventionsmaßnahmen an Landesdeichen geben wird: Die Kosten in Höhe von 7,5 Mio. Euro für die Erstellung und der jährliche Unterhalt in Höhe von 400 000 Euro sei für das Land nicht tragbar. Im Frühjahr dann die mediale Erfolgsmeldung 100 % der Herdenschutzkosten können von den Ländern übernommen werden - die EU habe dazu grünes Licht gegeben. 

Unter dem Strich sind Low-Budget-Präventionsmaßnahmen herausgekommen, die mit dem Gießkannenprinzip ausgebracht werden. 

Mit 60 % geschützten Schafen (51 000 von 85 000 der Präventionskulisse aus einem Gesamtbestand von 200 000) wird jedoch keine Prävention im Sinne dieses Begriffes gelingen, sondern es wird genau deshalb zur Gewöhnung der Wölfe an leicht zu jagende Weidetiere kommen. Mit nur selektiv präventiv geschützten Schafen wird die vielgepriesene Koexistenz zwischen Wolf und Weidewirtschaft in Gänze nicht gelingen. Wir sind gerade dabei sehr viel zu verlieren.

Mit freundlichen Grüßen

Udo Engel

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