Schäfer haben Recht bekommen
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1. Ausgangslage
Zwei Schäfer aus Rheinland-Pfalz haben über die Zuweisung von Zahlungsansprüchen (ZA) für die Bewirtschaftung von Mähweiden und Weiden auf einem Truppenübungsplatz gestritten und Recht bekommen.
Hintergrund war ein zwischen den Klägern und der Bundesrepublik Deutschland als Verpächterin abgeschlossener Pachtvertrag aus dem Jahre 2005 auf unbestimmte Zeit. Dabei handelt es sich um einen sogenannten „Risikopachtvertrag“ über die Schafweidenutzung von Grünflächen, die auf der bundeseigenen Liegenschaft eines Truppenübungsplatzes gelegen sind. Inhalt und Umfang der Weidenutzung sind in § 4 des Pachtvertrages geregelt. Danach sind die im Lagerplan gezeichneten Flächen in eine Zone A und eine Zone B aufgeteilt.
Der Pächter bestimmt grundsätzlich in Zone A den Umfang und Zeitpunkt der Nutzung des Aufwuchses. Dabei erfolgt das Weidemanagement in Absprache mit der Standortverwaltung und der Truppenübungsplatzkommandantur. Muss die Zone A temporär für militärische Übungszwecke in Anspruch genommen werden, weist der Bund dem Pächter für die Dauer der Übung nach Möglichkeit eine vergleichbare Ersatzfläche zu.
Anders verhält es sich hingegen in der Zone B. Für diese Fläche enthält der Vertrag keine entsprechende Regelung. Nach § 4 Abs. 7 des Vertrages ist der Bund in Zone B berechtigt, das Gelände zu Zwecken des Schieß- und Übungsbetriebes jederzeit und erforderlichenfalls auch ohne Ankündigung und Zustimmung des Pächters zu nutzen. Dabei ist für die Zone B der Pachtzins deutlich geringer als für Weideflächen in der Zone A.
Im April 2018 beantragten die Kläger bei dem beklagten Landkreis für das Antragsjahr 2015 die Zuweisung von ZA im Rahmen der zum 01.01.2015 neu in Kraft gesetzten Basisprämie und anderen unionsrechtlichen Stützungsregelungen für eine bestimmte Fläche. Die Beklagte wies für die beantragten Flächen die ZA zurück.
Anlässlich einer Verwaltungskontrolle (erstmals seit 2005) gegen Ende 2015 / Anfang 2016 bemerkte der beklagte Landkreis, dass die von den Klägern seit dem Jahr 2005 gemeldeten Flächen Flurstücke umfassen, die nach Auffassung des beklagten Landkreises in einem bestimmten Umfange innerhalb der Zone B lägen. Der beklagte Landkreis vertrat die Ansicht, dass für Pachtflächen der Zone B keine ZA vergeben werden dürften, da hier auch eine militärische Nutzung erfolge.
Gegen diese Entscheidung legten die Kläger Widerspruch ein.
Nebst einer eingehenden Begründung durch ihre Rechtsanwälte legten sie u.a.ein Gutachten vor, aus dem sich ergab, dass sich aus den vorgelegten Karten die Zonen A und B nicht korrekt darstellen lassen. Selbst der Beklagte sei aufgrund des unbrauchbaren Kartenmaßstabes nicht in der Lage, bestimmte Flächen der Zone A, bzw. B. eindeutig zuzuordnen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.09.2017 wies der Kreisrechtsausschuss die Widersprüche der Kläger zurück. Hiergegen richtete sich die Klage der beiden Schäfer aus Rheinland-Pfalz.
2. Entscheidung des Verwaltungsgerichts Neustadt a. d. Weinstraße, Urteil vom 19.07.2018,
(Az.: 2 K 1241/17.NW)
Das Gericht hat den Änderungsbescheid vom 21.11.2016 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 26.09.2017 als überwiegend rechtswidrig beurteilt.
Rechtsgrundlage für das Ergehen des Änderungsbescheides sei § 10 Abs. 1 des Marktorganisationsgesetzes – MOG. Die Änderung der bestandskräftigen Zuteilung von ZA an landwirtschaftliche Betriebe im Rahmen der unionsrechtlichen Regelungen zur direkten Einkommensstützungen richte sich, so das Gericht, nach mitgliedschaftlichem Recht, weil das Unionsrecht keine Rechtsvorschriften enthalte, die die Befugnis der Behörde gegenüber dem Beihilfeempfänger regeln. Nach § 10 Abs. 1, Satz 1 MOG, auf dessen Regelungen sich der angegriffene Bescheid inhaltlich stützt, könnten rechtswidrig begünstigte Bescheide auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, zurückgenommen werden.
Unter Berücksichtigung dessen kam das Gericht zu der Auffassung, dass eine Kürzung der ZA um die Hektarzahl der in Zone B gelegenen Flurstücke nach Art. 21 ff. VO (EU) 1307/2113 rechtswidrig und daher in dem bezeichneten Umfange aufzuheben wäre, weil die hier strittigen Flurstücke des Plangebietes B den klägerischen Betrieben im Jahr 2015 als beihilfefähige Flächen im Sinne der Regelungen über die Gewährung von direkten Einkommensbeihilfen zuzurechnen sei. Eine beihilfefähige Fläche liege vor, wenn es sich um eine landwirtschaftliche Fläche handele, die landwirtschaftlich genutzt werde, die zudem dem antragstellenden Betrieb zuzuordnen und deren Beihilfefähigkeit nicht ausgeschlossen sei. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Zone B um landwirtschaftliche Flächen handelt. Unter dem Begriff der „landwirtschaftlichen Fläche“ falle jede Fläche, die als Ackerland, Dauergrünland und Dauerweideland oder mit Dauerkulturen genutzt werde (Art. 4 Abs. 1 e VO (EU) 1307/2013). Die hier strittigen Flächen, so das Gericht, seien Dauergrünland und Dauerweideland. Für die Charakterisierung als landwirtschaftliche Fläche sei dabei unschädlich, dass durch den antragstellenden Betrieb eine Bewirtschaftung mittels Aussaat nicht erfolgt sei. Denn als Dauergrünland und Dauerweideland seien auch solche Flächen zu bezeichnen, die auf natürliche Weise durch Selbstaussaat zum Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen genutzt werden.
Hieraufhin hatten die Prozessbevollmächtigten des Klägers im Klageverfahren mehrfach hingewiesen und dies mit entsprechender Rechtsprechung unterlegt.
Gras oder andere Grünfutterpflanzen seien alle Grünpflanzen, die herkömmlicherweise in natürlichem Grünland anzutreffen oder normalerweise Teil von Saatgutmischungen für Weideland oder Wiesen in dem Mitgliedstaat sind, unabhängig davon, ob die Flächen als Viehweiden genutzt werden. Die Kammer hatte keinen Anlass daran zu zweifeln, dass die dem Plangebiet B zugeordneten Flächen eine derartige Beschaffenheit aufweisen und als Dauergrünland zur Beweidung durch Schafe geeignet sind. Nach Auffassung des Gerichts stellt die Nutzung von Dauergrünland und Dauerweide als Schafweide eine landwirtschaftliche Nutzung im Sinne der oben genannten Stützungsregelung dar. Die Pachtflächen der Plangebiete A und B werden durch die klägerischen Betriebe bereits spätestens seit dem Jahr 2005 in tatsächlicher Hinsicht als Weidefläche für Schafe genutzt. So hat auch die Beklagte die Art der Nutzung durch die klägerischen Betriebe nie in Zweifel gezogen. Die Art der Nutzung war durch Zeugen belegt worden.
Der Vortrag über die bisherige Nutzung der gepachteten Flächen als Schafweide sei glaubhaft, in sich schlüssig und nachvollziehbar.
Auch wurden die Pachtflächen im Plangebiet B dem antragstellenden Betrieb, also den jeweiligen schafhaltenden Betrieben, als Betriebsfläche zugerechnet. Eine Fläche gehört dann zum Betrieb des Landwirts, wenn dieser befugt ist, sie zum Zwecke der Ausübung einer landwirtschaftlichen Tätigkeit zu verwalten. Eine uneingeschränkte Verfügungsgewalt über die Fläche, deren landwirtschaftliche Nutzung dem antragstellenden Betrieb zusteht, sei hierzu nicht erforderlich. Der Landwirt müsse jedoch hinsichtlich dieser Fläche über eine hinreichende Selbständigkeit bei der Ausübung seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit verfügen, was vorliegend der Fall sei, so das Gericht. Hier konnte nachgewiesen werden, dass die Kläger dem betrieblichen Bedürfnis entsprechend selbst und unabhängig bestimmen, welche der gepachteten Flächen im Rahmen der von ihnen betriebenen Wanderschäferei zu welchen Zwecken mit welcher Gruppe von Schafen und wie lange beweidet werden sollten. Die Kläger konnten darlegen, in der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit nicht den Weisungen anderer unterworfen und tragen die Risiken, Kosten und die Nutzen ihrer Tätigkeit selbst zu tragen.
Der Vertragsvorbehalt der Nutzung der B-Flächen als militärisches Übungsgebiet stelle dabei die beihilferechtliche Zugehörigkeit der gepachteten Flächen zum Betrieb der Klägerin nicht in Frage.
Nach Auffassung des Gerichts hätten auch die in Rede stehenden Flächen in der Zone B ihre Eigenschaft als beihilfefähiges Dauergrünland im Sinne des Art. 4 Abs. 1 e VO (EU) 1307/2013 nicht dadurch eingebüßt, dass sie ganz oder teilweise – auch – zu nicht landwirtschaftlichen Zwecken genutzt werden dürfen. Für die Fälle dieser (konkurrierenden) nicht landwirtschaftlichen Nutzung einer solchen Fläche habe der Verordnungsgeber in Art. 32 Abs. 2, a VO (EU) 1307/2013 das Entfallen der Beihilfefähigkeit erst vorgesehen, wenn diese Flächen „nicht hauptsächlich“ landwirtschaftlich genutzt würden. Hauptsächlich für eine landwirtschaftliche Tätigkeit genutzt sei eine Fläche, wenn die landwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt werden kann, ohne durch die Intensität, Art, Dauer oder den Zeitpunkt der nichtlandwirtschaftlichen Tätigkeit stark eingeschränkt zu sein.
Der Verweis auf „die Dauer oder den Zeitpunkt‘“ zeige, dass die ganzjährige Beihilfefähigkeit nach den Vorstellungen des Verordnungsgebers nicht automatisch dadurch verloren gehe, da es eine landwirtschaftlich genutzte Landwirtschaftsfläche im Verlaufe des Kalenderjahres zeitweise auch für nicht landwirtschaftliche Zwecke in Anspruch genommen werde. Des Weiteren werde die Beihilfefähigkeit auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die betreffenden Flurstücke in das Verzeichnis jener Flächen aufgenommen werden, die hauptsächlich für nicht landwirtschaftliche Tätigkeit genutzt werden.
Fazit
Der hier beklagte Landkreis hatte bereits sämtliche positive Bescheidungen seit dem Jahr 2005 widerrufen und die geleisteten Zahlungen von den Schafhaltenden Betrieben zurück verlangt. Eine negative Entscheidung wäre der Ruin dieser Betriebe gewesen. Es zeigt sich, dass es Sinn macht, sich gegen Entscheidungen dieser Art zu wehren und sich insoweit mit der Materie betrauter Rechtanwälte zu bedienen.

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