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Herdenschutz

Bauern und Jäger pochen auf Bestandsregulierung beim Wolf

Ihre Forderung nach einer aktiven Regulierung des Wolfsbestandes in Deutschland haben der Deutsche Bauernverband (DBV), die Bundesarbeitsgemeinschaft der Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer (BAGJE) sowie der Verband der Jagdgenossenschaften und Eigenjagden in Westfalen-Lippe (VJE) bekräftigt.
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Bei der Fachtagung „Kulturlandschaft und Wolf“ am 4. Oktober in Berlin stellten DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken und der VJE-Vorsitzende Clemens Freiherr von Oer klar, dass eine Koexistenz zwischen Wolf und Weidetierhaltung in der Kulturlandschaft in Deutschland nur dann funktionieren könne, wenn die Bestände des Wolfes reguliert und seiner unbeschränkten Ausbreitung in Deutschland Grenzen gesetzt würden. Da der Wolf in Europa nicht mehr gefährdet sei, könne eine Regulierung der Bestände nach dem EU-Naturschutzrecht auch durchgeführt werden, betonten die Verbandsvertreter. Werde dies nicht gewährleistet, sei die Haltung von Schafen, Ziegen, Pferden und Rindern auf der Weide in Frage gestellt, so Krüsken und von Oer. Der BAGJE-Vorsitzende Jürgen Hammerschmidt warnte davor, dass Problem vom staatlichen Naturschutz und von den Naturschutzverbänden klein reden zu lassen. Es sei höchste Zeit, ein pragmatisches Management anzugehen. Anderer EU-Mitgliedstaaten sowie Norwegen und die Schweiz machten vor, wie es gehe. Einen eindeutigen Rechtsrahmen zur Wolfsregulation forderte der Deutsche Jagdverband (DJV) ein. Die Weidetierhalter betonten, dass die Grenzen der Zumutbarkeit für sie bereits erreicht seien. Ein stärkeres Engagement auf Bundesebene mahnte die agrarpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke, Dr. Kirsten Tackmann. Vertreter der Almlandwirtschaft in Bayern, Österreich und Südtirol mahnten ebenfalls Schutzmaßnahmen an. Niedersachen bot Nordrhein-Westfalen einen Erfahrungsaustausch in Sachen Wolf an.

Einstieg in die Bestandsregulierung schaffen

Krüsken sprach sich für die Berücksichtigung der Wolfsproblematik im kommenden Koalitionsvertrag aus. In einer noch offenen Form sollte der Einstieg in eine Bestandsregulierung der Wölfe festgeschrieben werden. Außerdem forderte der DBV-Generalsekretär Bundes- und Landespolitiker auf, wolfsfreie Zonen zu definieren, beispielsweise in intensiv genutzten Grünlandregionen sowie Almen und Deiche, bei denen keine Präventionsmaßnahmen möglich seien. Ausdrücklich sieht Krüsken auch das Bundesumweltministerium und die Naturschützer in der Verantwortung, mit zur Problemlösung beizutragen. DBV, BAGJE und VJE betonten, dass es bereits auf Grundlage des bestehenden europäischen Rechts möglich sei, auffällige Tiere zu entnehmen, wenn es keine andere zufriedenstellende Lösung zum Schutz vor Tierverlusten, Schutz des Eigentums oder von Menschenleben möglich sei.

Skandinavien als Vorbild

Auch der Jurist Prof. Michael Brenner von der Universität Jena und der Zoologe Prof. Hans-Dieter Pfannenstiel von der Freien Universität Berlin stellten fest, dass der Wolf nach EU-Recht in Deutschland in das Jagdrecht aufgenommen und über das bewährte Reviersystem reguliert werden könne. Als Beispiele für gelungene Regulierungsregime führten Brenner und Pfannenstiel die Schutzjagden und die Definition wolfsfreier Gebiete in Schweden sowie Finnland an, wo Weidetierhaltung und Wolfsschutz durch den Einsatz der Jagd und der Jäger konfliktarm nebeneinander bestünden. Brenner betonte die Verantwortlichkeit und Entscheidungsfreiheit der Mitgliedstaaten, die diese nutzen sollten. Die selektive Bejagung im Einzelfall verstoße nicht gegen EU-Recht, entbinde den Gesetzgeber aber auch nicht von der Verpflichtung, mittelfristig für ein Wolfsmanagement und damit für eine friedliche Koexistenz zu sorgen. Der Jurist räumte ein, dass die Definition von wolfsfreien Zonen in der Praxis schwierig sein werde. Dennoch müsse der Gesetzgeber festlegen, wo er den Wolf für zumutbar halte und wo für nicht. Pfannenstiel erläuterte, dass die Wölfe in Deutschland keine eigene Population ausmachten, sondern als Teil einer eurasischen Metapopulation bereits etabliert und gesichert seien. Der Bestand wachse zu dem rasant. Bereits jetzt gebe es mehr Wölfe in Brandenburg als in ganz Schweden zugelassen seien.

Rechtsrahmen muss stimmen

DJV-Präsidiumsmitglied Helmut Dammann-Tamke unterstrich, dass eine von der Politik gewollte Regulierung des Wolfes über das Jagdrecht seiner Ansicht nach denkbar und auch praktikabel sei. Das intelligente Säugetier würde dann sehr schnell sein Verhalten anpassen und die Rolle annehmen, die der allgemeinen Erwartungshaltung eines scheuen Wildtieres entspreche. Wenn Minister und Ministerpräsidenten angesichts der rasanten Ausbreitung des Wolfes seine Regulation forderten, müssten sie auch den Rechtsrahmen dafür schaffen. Gebraucht würden dann praktikable Managementpläne, die auch abseits des Wahlkampfgetöses funktionierten. Dammann-Tamke verwies auf die jüngsten Wolfrisse von Deichschafen bei Cuxhafen sowie auf Wolfsrudel, die auf ausgewachsene Rinder spezialisiert seien. Hierfür brauche es praktikable Antworten.

Hohe Kostenbelastung

Der Vorsitzende der Vereinigung Deutscher Landesschafzuchtverbände (VDL), Jürgen Lückhoff, sprach von einem enormen Druck, der auf die Schäfern laste. Er verwies dabei auch auf die hohen Kosten für einen ausreichenden Herdenschutz, der vor allem die kleineren Betriebe stark belaste. Dabei seien die dortigen Schafe gerade für die größeren Herden als Zuchttiere von Bedeutung. Erste Betriebe würden bereits aufgrund der Wölfe aufgeben. Allein auf Herdenschutzhunde und Zäune zu setzen, hält Lückhoff nicht für ausreichend. Er mahnte mehr Forschung in dem Bereich an. Auf die steigenden Tierverluste von Mutterkuhhalter und Milchviehhalter mit Weideaustrieb machte der Wolfsbeauftragte des Landesbauernverbandes Brandenburg (LBV), Jens Schreinicke, aufmerksam. Unverständnis äußerte er darüber, dass man den Beutegreifer sich selbst überlasse. Er appellierte an die Jäger, aktiver zu werden. Je länger man mit dem Eingreifen zögere, desto stärker nehme die Akzeptanz für den Wolf ab. Zwar gebe es eine Entschädigung für gerissene Tiere. Man halte Schafe aber nicht allein, das sie vom Wolf gerissen würden und man sich dann die Entschädigung vom Bund oder Land hole, so Schreinicke.

Nicht aus der Verantwortung stehlen

Derweil forderte die Linke-Politikerin Tackmann vom Bundeslandwirtschaftsministerium mehr Engagement beim Herdenschutz vor Wölfen. Die Brandenburgerin zeigte sich enttäuscht über die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage ihrer Fraktion, in der unter anderem die Aufgabenverteilung zwischen Bundesumwelt- und Bundeslandwirtschaftsministerium für einen wolfssicheren Herdenschutz hinterfragt worden war. Die Bundesregierung verwies in ihrer Antwort auf die derzeitige Arbeitsteilung und auf die Zuständigkeit der Länder. Nach Ansicht von Tackmann schiebt das Bundeslandwirtschaftsministerium seine Verantwortung beim präventiven und nachsorgenden Herdenschutz „mit fadenscheinigen Argumenten“ in die Länder und das Bundesumweltministerium ab. Da aber bundeseinheitliche Regelungen gebraucht würden, komme das einer „unterlassenen Hilfeleistung für die Weidetierhaltung“ gleich, so die Bundestagsabgeordnete. Dieses Wegducken sei angesichts der schwierigen Situation absurd und inakzeptabel, sagte Tackmann. Der Bund habe keinerlei Plan für eigene Beiträge, weder für eine bundeseinheitliche Strategie, noch für effiziente Herdenschutzsysteme, noch für den Abbau rechtlicher Hürden für den Einsatz von Herdenschutzhunden. Auch die Antwort zum Forschungs- und Beratungsbedarf stellte die Linken-Politikerin nicht zufrieden. Sie findet es „einfach zu billig“, wenn die Bundesregierung den weiteren Bedarf bei Aufklärungs-, Forschungs- und Überzeugungsarbeit auf andere Akteure schiebe.

Kulturlandschaft gefährdet

Unterdessen übergaben 26 Bauernverbände und Organisationen aus Südtirol, Österreich und Bayern ein von ihnen erstelltes Positionspapier zur Bedrohung der Berglandwirtschaft durch große Beutegreifer wie Wolf und Bär an die bayerische Umweltministerin und derzeitige Vorsitzende der EU-Strategie für den Alpenraum (EUSALP), Ulrike Scharf. Der Vizepräsident des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) Günther Felßner, kritisierte bei der Übergabe vergangene Woche, dass die Probleme von Schäfern, Berg- und Almbauern beim Treffen der Umweltminister des Alpenraums nicht berücksichtigt würden. Dabei gefährde die zunehmende Ausbreitung der Beutegreifer die für die Alpen so typische Weidehaltung mit ihren artenreichen Flächen. Stattdessen solle im Rahmen der EUSALP ein Netzwerk zwischen Schutzgebieten, Biotopen und schützenswerten Umweltbereichen auf den Weg gebracht werden, dass die Ausbreitung des Wolfes noch weiter beschleunigen dürfte, beklagte Felßner. In dem Positionspapier werden unter anderem die Erstellung einer umfassenden Folgenabschätzung zur Verbreitung des Wolfes, eine Aufrechterhaltung der bisher üblichen Weidewirtschaft sowie eine vollständige Übernahme der Kosten durch den Staat gefordert. Verlangt wird zudem, dass die Sicherheit der Menschen im ländlichen Raum in den Vordergrund gestellt und die Beweislastumkehr bei Rissen und anderen Problemen mit großen Beutegreifern eingeführt wird. Zu den Unterzeichnern des Papiers gehörten neben dem BBV unter anderem der Südtiroler Bauernbund (SBB), der Bauernbund Tirol, der Bauernbund Salzburg, die verschiedenen Landwirtschaftskammern in Österreich sowie die almwirtschaftliche Vereine der Region, aber auch die bayerischen Züchterverbände und der Bayerische Waldbesitzerverband.

Nicht verharmlosen

Der BBV warf dem bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) vor, es versuche, das „Thema herunterzuspielen“ und spreche nur von elf gemeldeten Schafsrissen in den vergangenen drei Jahren. Dabei zeige ein Blick nach Österreich und Südtirol sowie nach Norddeutschland, dass die Situation der Weidehalter bereits jetzt dramatisch sei, so BBV-Generalsekretär Hans Müller. Nach Aussagen des Bürgermeisters der Gemeinde Kastelruth in Südtirol, Andreas Colli, hätten die Bauern der größten Hochalm Europas, der Seiseralm, nach diversen Vorfällen ihre Tiere wesentlich früher als üblich abgetrieben. Sie hätten es außerdem offengelassen, ob überhaupt noch Tiere im nächsten Jahr aufgetrieben würden. Zu dem Positionspapier der Verbände erklärte der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler (FW) im bayerischen Landtag, Hubert Aiwanger, dass Wolf und Bergweide im Alpenraum nicht miteinander vereinbar seien. Daher seien klare Regeln erforderlich, dass Wölfe in Gebieten mit Bergweide bejagt werden dürften.

Nachbarschaftshilfe

Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel bot unterdessen seiner nordrhein-westfälischen Amtskollegin Christina Schulze-Föcking einen Erfahrungsaustausch zum Thema Wolfsmanagement an. Die Einschätzungen und Maßnahmen der Nachbarn stimmten vollauf mit dem niedersächsischen Wolfsmanagement überein, erklärte der Grünen-Politiker. Die Rückkehr des Wolfs sei in allen neuen Regionen mit ähnlichen positiven und auch problematischen Aspekten verbunden. Vergangene Woche hatte die Düsseldorfer Landesregierung in einer Antwort auf eine Parlamentarische Anfrage erklärt, dass Wölfe nicht zum Abschuss freigegeben würden, es keine Aufnahme in das Jagdrecht geben werde und dass die geltenden rechtlichen Grundlagen ausreichend Handlungsmöglichkeiten für den Umgang mit auffälligen Wölfen böten. Außerdem einigten sich Bund und Land nach einem Spitzengespräch zwischen Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks, dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil und Umweltressortchef Wenzel auf ein gemeinsames Eckpunktepapier, dass unter anderem die Tötung auffälliger Wölfe im Einzelfall vorsieht

Weitere Rissmeldungen

In der Zwischenzeit gehen die Schafrisse und Wolfsunfälle weiter. So wurden in Mecklenburg-Vorpommern mehrere Schafrisse gemeldet. Das Schweriner Landwirtschaftsministerium stellte in dem Zusammenhang fest, dass die betroffene Schafherde im Landkreis Ludwigslust-Parchim nicht mit dem empfohlenen Grundschutz gesichert worden sei. Die Herde bei Pampow nahe Blankensee sei nach den Vorgaben des Grundschutzes eingezäunt gewesen, habe allerdings kleinere Mängel aufgewiesen, die dem Wolf das Eindringen ermöglicht hätten. Derweil informierte das Wolfsbüro des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), dass im Landkreis Heidekreis auf der Autobahn A7 ein männlicher Wolf tot aufgefunden worden sei. Das Wolfsbüro geht von einem Verkehrsunfall aus.

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