Bejagter Jäger?
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Viele Fragen bezüglich der Wolfsthematik in Deutschland seien weiterhin nicht geklärt und würden auch durch sogenannte Managementpläne der Bundesländer nicht beantwortet werden, stellte Clemens Freiherr von Oer, Vorsitzender des Verbandes der Jagdgenossenschaften und Eigenjagden in Westfalen-Lippe (VJE e.V.), in seiner Begrüßung fest. Weder werde der Besiedelung konfliktanfälliger Lebensräume mit immer höherer Ausbreitungsgeschwindigkeit Rechnung getragen, noch wolle man eine großflächige Einzäunung von Weideland und damit eine noch weitergehende Lebensraumfragmentierung in Kauf nehmen, so Freiherr von Oer. Auch sehe er nicht zuletzt die Gefahr, dass die Jagdreviere nicht mehr verpachtet werden könnten. Dabei ginge es nicht darum, den „Rückkehrer“ Wolf aus der Kulturlandschaft zu verbannen, sondern vielmehr darum, ein zukünftiges Zusammenleben über seine Bestandsregulierung zu erreichen.
Juristische Möglichkeiten
Wie differenziert die juristischen Antworten zum Thema Bejagung des Wolfes ausfallen können, legte Prof. Dr. Michael Brenner von der Friedrich-Schiller-Universität Jena dar. Der Inhaber des Lehrstuhls für Deutsches und Europäisches Verfassungs- und Verwaltungsrecht versuchte, die verschiedenen Ebenen des Sachverhaltes so verständlich wie möglich zu erklären. Mit der Fauna-Flora-Habitat Richtlinie (FFH-RL) habe der EU-Gesetzgeber den Mitgliedstaaten weitgehende natur- und artenschutzrechtliche Vorgaben gemacht hat, die den Bundes- wie auch die Landesgesetzgeber in gleicher Weise binden, unabhängig davon, wer nach der binnenstaatlichen Kompetenzverteilung für die Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben zuständig sei. Das ist der Fakt. Trotzdem sei es möglich, dass die Unterwerfung des Wolfs unter das Jagdrecht keinen unionsrechtlichen Bedenken begegne, wenn diese Unterwerfung unter das Jagdrecht durch die Anordnung einer ganzjährigen Schonzeit flankiert werde. Hervorzuheben sei dabei, dass die Aufnahme einer Art in das Jagdrecht nicht vom Vorliegen der Voraussetzungen des Artikels 16 der FFH-RL (günstiger Erhaltungszustand, Ausnahmegrund und fehlende anderweitige Lösung) abhängig ist. Die Aufnahme einer Art in das Jagdrecht stelle keinen Verstoß gegen das strenge Schutzsystem der FFH-RL dar. Erst die tatsächliche Bejagung, sei es durch Einführung einer Jagdzeit oder aber im Wege einer Einzelausnahme, erfordere eine Prüfung, ob die Voraussetzungen des Artikels 16 der FFH-RL vorlägen.
Eine weitere Erkenntnis bestehe darin, so Brenner, dass der Artikel 16 der FFH-RL eine Reihe von Ausnahmen von dem strengen Schutzregime des Artikels 12 der FFH-RL zulässt. Damit sollen ernste Schäden insbesondere an Kulturen sowie an Wäldern, Fischgründen und Gewässern verhindert werden. Doch auch der Schutz der öffentlichen Sicherheit rechtfertige Sonderregelungen, insbesondere wenn es sich dabei um den Schutz des menschlichen Lebens und des Eigentums handele. Dazu sei der Staat laut Grundgesetz ebenso verpflichtet, erklärte der Professor, und der Schutz der menschlichen Gesundheit sollte stärker in den Vordergrund gerückte werden. Im konkreten Einzelfall ist daher auch eine – selektive – Bejagung des Wolfes möglich. Eine solche Bejagung würde nach Brenner nicht gegen das Unionsrecht und insbesondere nicht gegen die Vorgaben der FFH-RL verstoßen. Seiner Kenntnis nach entbinde dies den Gesetzgeber aber nicht von der eigentlichen Verpflichtung, mittelfristig ein taugliches Managementsystem für den Wolf zu etablieren, um eine dauerhafte und friedliche Koexistenz mit dem Menschen zu ermöglichen.
Wolfsmanagement notwendig
Auch Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV), betonte in der Stellungnahme des DBV, dass die Debatte über ein echtes und effektives Wolfsmanagement in Deutschland längst überfällig sei. Eine Koexistenz zwischen Wolf und Weidetierhaltung könne in der Kulturlandschaft in Deutschland nur funktionieren, wenn die Bestände des Wolfes reguliert und seiner unbeschränkten Ausbreitung in Deutschland Grenzen gesetzt würden. Anderenfalls sei die Weidehaltung von Schafen, Ziegen, Pferden und Rindern auf der Weide in Frage gestellt, so Krüsken.
Jürgen Lückhoff, Vorsitzender der Vereinigung Deutscher Landesschafzuchtverbände (VDL), machte in der Diskussionsrunde zusätzlich auf die besondere Lage der kleineren Schafzuchtbetriebe und Nebenerwerbsschäfer aufmerksam, die sich die geforderten Präventionsmaßnahmen der Bundesländer oft nicht leisten könnten. Dabei spiele nicht nur der finanzielle Aspekt eine Rolle, vielmehr könnten Schaf- und Ziegenhalter diese oft nicht aufgrund der Parzellierung der Weiden stemmen. So müssten beispielsweise auch für kleine Zuchtherden mehrere separate Standorte vorgehalten werden, diese seien aber bei geringen Tierzahlen nicht mit den benötigten Zäunen oder der entsprechenden Zahl Herdenschutzhunde praktikabel zu bewirtschaften. Auch der Mutterkuhhalter und Wolfsbeauftragte des Landesbauernverbandes Brandenburg Jens Schreinicke attestierte die schwierige Umsetzbarkeit verschiedener Präventionsmaßnahmen in seinen Herden. Zudem würde die De-minimis-Regel für landwirtschaftliche Unternehmen (maximal 15000 Euro Beihilfe bezogen auf einen Zeitraum von drei Steuerjahren) den nötigen präventiven Zaunbau konterkarieren. Und schließlich seien „sie als Tierhalter nicht angetreten, um eine Entschädigung für gerissene Rinder zu kassieren, sondern um die Kühe und Kälber gesund zu erhalten.“
Fazit
Am Ende waren sich die meisten Beteiligten der Fachveranstaltung einig: Trotz aller Präventionsmaßnahmen und Entschädigungszahlungen, die selbstverständlich erhalten und ausgebaut werden müssen, – der Wolf solle in seinem Bestand reguliert werden dürfen. Nur so könne ein langfristiges Zusammenleben mit ihm abgesichert werden. Der Erhaltungszustand müsse genau definiert und ein transparentes Monitoring etabliert werden. Andere Länder wie Finnland, Schweden, Norwegen, Frankreich und die Schweiz praktizierten bereits mögliche Modelle – im Einklang mit der FFH-RL bzw. der Berner Konvention.
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