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Baden-Württemberg: Schafzucht und Naturschutz – die besondere Situation der Schäfer

Auf Einladung der Schäferei Golderer in Pforzheim moderierte der agrarpolitische Sprecher der Grünen im Landtag Baden-Württemberg, Dr. Bernd Murschel, eine Gesprächsrunde zum Thema „Schafzucht und Naturschutz — die besondere Situation der Schäfer in Baden- Württemberg“.
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Wolfram Golderer (links) stellte dem Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/die
Grünen, Fritz Kuhn (rechts), und Dr. Bernd Murschel (MdL) seine Schäferei vor.
Wolfram Golderer (links) stellte dem Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/die Grünen, Fritz Kuhn (rechts), und Dr. Bernd Murschel (MdL) seine Schäferei vor.Kollmar
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Die Schäferei Golderer gehört zu den Betrieben in Baden- Württemberg, die von der Absenkung der Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete besonders betroffen sind. Die Bioland-Schäferei beweidet mit 300 Coburger Fuchsschafen zwei Naturschutzgebiete im Nordschwarzwald. Zweites Standbein ist die Hofkäserei. Für die Käseproduktion werden weitere 200 Milchschafe gehalten. Es war im vergangenen Januar, als Ute Golderer „wutentbrannt den Antrag gelesen hatte“. Die zu machenden Angaben in Art und Umfang standen in keinem Verhältnis zum zu erwartenden Nutzen. Uta Golderer beschloss, ihrem Unmut an geeigneter Stelle klar Ausdruck zu verleihen. Sie ergriff Initiative – auf direktem Wege. „Damals“, gab sie jedoch zu, „hätte ich nicht gedacht, dass wir uns in dieser Runde hier treffen!“ Die „Runde“ war so illuster wie politisch hochkarätig besetzt: Vertreter des Landesschafzuchtverbandes sowie des Landesbauernverbandes, des Landwirtschaftsamtes und des Naturschutzes, Dr Bernd Murschel (MdL) sowie last but not least Fritz Kuhn, Fraktionsvorsitzender der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag folgten der Einladung der Schäferei. In der Schäferei führte Wolfram Golderer durch den Stall, wo Milchschafe und Lämmer sich tummelten. Fritz Kuhn, der bislang wenig Berührungspunkte zur Schäferei hatte, erkundigte sich interessiert über die Kostenstruktur des Betriebs, über dessen Direktvermarktung, ferner über die erfolgreich praktizierte Bioland- Produktion. „Die Schäfer stehen vor großen Herausforderungen im Jahr 2008“, so Dr. Bernd Murschel in seiner Pressemitteilung. In Wirklichkeit stehen viele Schäfereien vor dem Abgrund. Der Spalt zwischen unabsehbar steigenden Produktionskosten gegenüber unabsehbar sinkenden Einnahmen klafft immer tiefer. Existenzgefährdend sind nach wie vor die entstandenen Schäden sowie die absehbar anstehenden Kosten für Folgeimpfungen der Blauzunge. „Ohne vernünftige Förderung kein Überleben!“, schlussfolgerte Bernd Murschel. Nach der Stallbesichtigung begab sich die Gruppe in den Hofladen, der zum besonderen Anlass gastlich eingerichtet war. Fritz Kuhn schickte der Gesprächsrunde woraus, dass er nicht in die Schäferei gekommen sei, um lange zu reden. „Vor allem bin ich hier, um etwas zu erfahren, was ich über die Schafhaltung in Deutschland erfahren und mit nach Berlin nehmen kann!“, erklärte er. Dass „Wirtschaft“ ohne „Landwirtschaft“ nicht funktioniere, sei in Bundeshauptstadt zwischenzeitlich angekommen. Dennoch seien seiner Fraktion bei der derzeit regierenden großen Koalition die Hände gebunden. „Von denen werden lieber die Großen gefördert, kleinbäuerliche Betriebe stoßen auf keine Gegenliebe“, machte Kuhn klar. Dabei sei unübersehbar, dass Landwirtschaft — nicht nur im Hinblick auf die nach wie vor steigende Bio-Nachfrage — eine riesige wirtschaftliche Chance sei. Nicht nur als Produzenten von Lebensmitteln, sondern auch als Landschaftspfleger von Kulturlandschaften, die in unmittelbarem Zusammenhang zu Tourismus und Gastronomie stehen. Zumindest in seiner Fraktion sei völlig klar, dass die Landschaftspflege mit Schafen wesentlich effektiver und dazu noch billiger sei, als die mit Traktoren. Hinsichtlich der steigen den Lebensmittelpreise wünschte er sich, dass Ernährung vor allem jungen Menschen als Basisfunktion zu lehren sei — wodurch eine Nähe zur transparenten, bäuerlichen Landwirtschaft als Bezugspunkt unabdingbar ist. Gerhard Steinle, Vertreter des baden-württembergischen Landesschafzuchtverbandes, stellte unverblümt, aber treffend, die Situation der Schäfer dar. „Die Situation ist nicht rosig“, umschrieb er. In der Praxis führte er die eingangs erwähnte Preisspirale an, besonders bedrücke ihn die Stagnation des Lammfleisch-Preises auf dem Stand von vor 20 Jahren. Der zunehmende bürokratische Aufwand erschwere eine praxisorientierte Betriebsführung. Besonders die Bestandsmeldungen/- veränderungen und die Arzneimitteldokumentation seien verhältnismäßig aufwändig. Cross Compliance sei, so meinte er, mehr als Bestrafung aufzufassen. Ferner die Auflagen zur Viehverkehrsverordnung — insbesondere bei den kurzen Transportwegen, seien in der Schäferei ebenso unerfüllbar wie die Auflagen, die den Direktvermarktern ab 2010 ins Haus stehen. „Das ist das Aus für die Direktvermarkter in Süddeutschland!“ Dabei, ärgerte er sich, koche doch auch noch jedes Bundesland seinen eigenen Senf. Die zunehmende Bürokratie in der Landwirtschaft bedauerte auch Renate Schweiger vom Landwirtschaftsamt Pforzheim/ Enzkreis. Es treffe die Schäfer unverhältnismäßig. „Ich bewundere jeden, der sich hinsetzt, so ein Antrags-Moloch ausfüllt und fehlerfrei ausgefüllt abgibt“, erklärte Frau Schweiger. Dass dies in der Praxis so gut wie nie bewältigt wird, diesen umfangreichen, indiskreten sowie bürokratischen Formularsatz auf Anhieb zu bewältigen, gab Renate Schweiger unumwunden zu. „Uns trifft dann die Wut, die sich darüber aufgestaut hat. Nur – wir Ämter als Kreisbehörde sind doch nur von oben zwischengeschaltet! Können Sie sich vorstellen, was für ein Gefühl das ist, wenn man einen bekannten Betrieb besucht, mit fünf EU-Inspektoren im Nacken?“ Dass eine Förderung der Schäferei unabdingbar ist, bestätigte Frau Schweiger ohne zu zögern. Denn: „Vom über die Lande ziehen und mit seinen Schafen glücklich sein – davon kann man ja nicht leben!“ Landwirtschaftlich besser gestellte Flächen hat die Kürzung der Subventionszahlungen jedenfalls voll getroffen. Was hart trifft, denn „der Pachtwahnsinn in Konkurrenz zu Biogasanlagen tobt in vollem Gange“, wie Dr. Florian Wagner vom BeratungsService Schafhaltung Baden-Württemberg dringend zu bedenken gab. Beschwerlich auch die Zusammenarbeit mit den zuständigen Landwirtschaftsämtern‚ wo entsprechende Anträge gestellt werden müssen. Wobei sich in seinem Tätigkeitsgebiet ganz klar eine „Rankingliste der Landratsämter“ herauskristallisiert hat: „Dort, wo Flächen zu pflegen sind, wo Freizeitoder Touristiknutzen ist, ist es für die Antragsteller wesentlich leichter, Hilfe für die Anträge zu bekommen oder passende Förderprogramme zu finden.“ Zumindest stellenweise, stellte er hoffnungsvoll fest, schließe sich hier der Kreis. Für die künftige Zusammenarbeit mit den Behörden wurde von allen Gesprächsteilnehmern ganz klar mehr Kooperationsbereitschaft gefordert:
- Vereinfachung bzw. Abbau der Bürokratie,
- mehr Transparenz im Antragswesen,
- zügigere Bearbeitung sowie Auszahlung und
- weniger Behördenwillkür.
Ulrike Kollmar
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